28. Januar 2022 , Dr. Christine Leithäuser
Im Januar 2022 teilen Stadtverwaltung und GMW mit, dass alle zukünftigen Bauvorhaben des GMW überprüft werden müssen. Auslöser war die Erkenntnis, dass die Sanierung der Realschule Leimbach statt 11 Mio Euro mindestens 33 Mio, vielleicht sogar 49 Mio Euro kosten werde. Über die tatsächlichen Kosten bei den anderen Projekten ist derzeit nichts bekannt, sie müssen nach Aussage des Kämmerers Dr. Slawig "alle auf den Prüfstand". Der Doppelhaushalt 2022/23 kann erst danach - in einer neuen Fassung - verabschiedet werden. Das ist nicht weniger als eine Bankrotterklärung der Stadtverwaltung und des Gebäudemanagements. Einige Tage später wird berichtet, OB Schneidewind werbe bei den Fraktionen dafür, dass Kämmerer Dr. Slawig im Herbst nicht wieder gewählt werden solle. Auch umfangreiche personelle Änderungen bei den Beigeordneten will der OB. Das GMW gehört allerdings zu seinem eigenen Geschäftsbereich. Und an der finanziellen Misere der Stadt Wuppertal sind viele Akteure beteiligt. Nicht zuletzt die meisten Ratsfraktionen, die immer wieder kostspielige Projekte ohne angemessene Planung beschließen. Allen Beteiligten ist es offenkundig gleichgültig, dass sie die Stadt herunter wirtschaften. Sie müssen nicht mit ihrem eigenen Vermögen haften.
Die Stadt Wuppertal ist mit 2,09 Mrd. Euro verschuldet (Stand: 31.Dezember 2020, Entwurf Doppelhaushalt 2022/23, Bd.1, S.178). Aufgrund von Steuerausfällen und den Schäden durch die Überflutungen im Sommer 2021 ist eher mit einer Erhöhung der Verbindlichkeiten in Zukunft zu rechnen. Es gibt keinen finanziellen Spielraum dafür, dass bereits geplante Bauprojekte teurer werden. Es ist also dringlich, dieses Problem in den Griff zu bekommen.
Das Planen und Errichten eines neuen Gebäudes oder aber die Sanierung eines Bestandsbaus erfolgen in mehreren Planungsschritten. Von der Entwurfs- über die Genehmigungs- bis zu Ausführungsplanung muss detailliert beschrieben werden, welche Anforderungen zu erfüllen sind und welche Gestalt das Bauwerk haben soll. Die Kostenschätzung ist bereits als Teil der Entwurfsplanung zu erstellen. Daher ist es eigentlich nicht möglich, dass das GMW im Fall der Sanierung der Realschule Leimbach erst am Ende des Planungsprozesses eine Kostensteigerung von mindestens 200 Prozent feststellt. Es sei denn, die vorangegangenen Planungsschritte wurden nicht sorgfältig ausgeführt.
Der Fall der Realschule Leimbach ist kein einzelner. Fehlkalkulationen unter der Bauherrenschaft der Stadt Wuppertal kommen häufiger vor: Es ist gerade ein Jahr her, als das GMW ebenfalls kurzfristig feststellte, dass das Aufstellen von Containern auf der Hardt eine Baugenehmigung erfordert. Zugleich wurde es davon überrascht, dass die Kosten für eben diese Container doppelt so hoch waren, wie es geschätzt hatte. Damals wurde die Planung für den Ausweichstandort wieder von vorne begonnen, der Stadtrat votierte für die Variante, die ehemalige Schule auf der Hardt abzureißen und an derselben Stelle Modulbauten zu errichten. Die Analyse der dem Rat vorgelegten Planungsunterlagen ergibt, dass diese widersprüchlich und lückenhaft sind. Wurden Kosten genannt, dann ohne die Berechnung offenzulegen. Wird diese Planung in 2022 umsetzbar sein?
Allen Wuppertalern in schlechter Erinnerung ist die finanzielle Entwicklung beim Projekt Döppersberg. Dieses bisher größte städtebauliche Bauvorhaben kostete letztlich etwa 150 Mio Euro. Im Jahr 2013 ging die Stadtverwaltung noch von einem Budget von 80 Mio Euro aus. Bereits vor der Fertigstellung der nördlich gelegenen Pavillons und der Schwebebahnhaltestelle zeigten sich Baumängel an den Stützmauern. Niemandem in der Stadtverwaltung oder der begleitenden Kommission war während der Planungsphasen aufgefallen, dass der verwendete Kalkstein prinzipiell ungeeignet ist und zudem falsch eingebaut wurde. Mehrkosten in Millionenhöhe für die Reparatur oder den Ersatz der Mauer kommen auf die Stadt zu. Bislang übernahm niemand die Verantwortung. Die Kritik des Chefredakteurs der WZ im Jahr 2020 an diesem und anderen überteuerten Projekten verhallte ungehört.
Im Jahr 2017 wurde öffentlich, dass die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH Wuppertal, eine städtische Tochter, vor der Insolvenz stand. Die Stadt übernahm einen Teil der Verbindlichkeiten in Höhe von 300 Mio Euro. Der Kämmerer attestierte der Führung der GWG im Zeitungsinterview Missmanagement. Personelle Konsequenzen gab es nicht.
Die Liste lässt sich fortsetzen. Anscheinend handelt es sich bei der Kostenentwicklung öffentlicher Bauprojekte um ein strukturelles Problem. In einer Studie der Hertie School of Governance aus dem Jahr 2015 wurden 170 öffentlichen Großprojekte ab dem Jahr 1960 untersucht. Ergebnis: die Kosten stiegen durchschnittlich um mehr als 70 Prozent bis zum Abschluss des Projektes. Bei reinen Bauvorhaben waren es durchschnittlich immer noch 44 Prozent Steigerung. Die Studie stellte auch fest, dass bei öffentlichen Bauvorhaben, die zusammen mit privaten Investoren durchgeführt wurden, die Kostensteigerung nur zwischen drei und neun Prozent lag. Der Verdacht, dass rein öffentliche Bauvorhaben prinzipiell weniger gut geplant und begleitet sind als private, wird durch die Studie erhärtet.
Eine der wesentlichen Ursachen für schlecht geplante und gemanagte Bauprojekte liegt im Selbstverständnis der Verwaltung und im Handeln des Rates begründet. Viel zu häufig steht am Anfang eine Projektes allein der politische Wunsch, dieses zu "machen" und zwar ohne regelgerechte Kostenplanung. Die Verwaltung legt dann oberflächliche Kalkulationen vor, die von allen Gremien verabschiedet werden, weil diese es nicht als ihre vornehmste Aufgabe betrachten, mit den treuhänderisch überantworteten Geldmitteln auch sparsam umzugehen.
Aktuelles Beispiel: Der Rat beschließt im Dezember 2021 die Bewerbung für eine Bundesgartenschau auf der Grundlage einer "Machbarkeitsstudie", die von der Verwaltung selber als "allererster Anfang der Planung" bezeichnet wird. Die dort vorgestellten Kostenrechnungen stammen aus dem Jahr 2018, ohne Berücksichtigung der Inflationsentwicklung. Die in der "Machbarkeitsstudie" getroffenen Aussagen sind allesamt nicht valide. Genau deswegen wird das Vorhaben BUGA 31 auch von Bürgern kritisiert, eine Bürgerinitiative sammelt gegen die Ausführung dieser mangelhaften Planung Unterschriften und strebt einen Bürgerentscheid zur BUGA an.
Oder: Der Rat beschließt im März 2021 den Ankauf eines wahrscheinlich hoch schadstoffbelasteten Grundstückes mit aufstehender Immobilie für mehr als 5 Mio Euro, um dort die siebte Gesamtschule zu bauen. Die Leiterin des GMW, Mirja Montag, erklärt im WZ-Interview am 18. November 2021 "Im Moment befinden wir uns noch in der Phase, wo wir untersuchen, was haben wir da eigentlich gekauft". Das GMW stellt zu diesem Zeitpunkt schon ein sogenanntes pädagogisches Konzept zum Betrieb der Schule vor, das ein sehr umfangreiches Raumprogramm nach sich ziehen würde. Dieses "Konzept" ignoriert alle gültigen gesetzlichen Vorschriften zur Klassengröße und zur Betreuungsrelation Schüler / Lehrer. Es ist nicht genehmigungsfähig. Informationen zur Bauplanung gibt es zum Zeitpunkt November 2021 vom GMW nicht. Einzelne Stadtverordnete posten im Januar 2022, der Bau der siebten Gesamtschule könne bis zu 140 Mio Euro kosten.
Und: Derzeit wird im Auftrag der Stadt Wuppertal die ehemalige Pädagogische Hochschule auf der Hardt abgerissen. Während die Bagger noch auf dem Gelände sind, tritt ein, worauf die Kritiker des Projektes immer hingewiesen haben: Die Baukostensteigerung und der Fachkräftemangel. Einer der prominentesten unter ihnen ist der Geschäftsführer des Programms Baukultur NRW, Peter Köddermann, der sich zuammen mit Prof. Christoph Grafe von der Bergischen Universität gegen den Abriss stellte. Er schrieb noch im Oktober an OB Schneidewind: "Für Wuppertal wäre es wirklich innovativ gedacht, als eine Stadt, die bereits eine Vorreiterfunktion für neue Stadtgestaltungsprozesse einnimmt, die Chance zur Umnutzung eines architektonisch qualitätvollen Gebäudebestandes im Sinne einer Umbaukultur wahrzunehmen." Auch seine Kritik blieb folgenlos. Der Rat und der OB wollten den Abriss, ohne Rücksicht auf die Realität des Marktes zu nehmen.
Ein weiterer Stein des Anstoßes ist das denkmalgeschützte Schauspielhaus an der Kluse. Es wurde im Jahr 2013 geschlossen, weil die Brandschutztechnik nicht mehr aktuell war. Seitdem verkommen das Gebäude und das direkte Umfeld. Ob das geplante Pina-Bausch-Zentrum je dort einziehen wird, ist angesichts der aktuellen Finanzlage der Stadt Wuppertal ebenfalls unsicher. Jedenfalls wäre im Jahr 2013 eine "einfache" Sanierung mit 40 Mio Euro aus heutiger Sicht günstiger gewesen. Stattdessen wurde die neue kleine Spielstätte neben dem Engels-Haus errichtet und zusätzlich der Umbau des Bestandsbaus für 84 Mio Euro Investitionskosten und ca. 7 Mio jährlicher Betriebskosten geplant. Ob es bei dieser Summe bleibt? Im Jahr 2018 sollten es "nur" 58,4 Mio Euro sein. Es gibt noch keinen Architektenentwurf zum Umbau, der geplante Wettbewerb hat noch gar nicht begonnen. Vor diesem Hintergrund zu behaupten, das "Pina-Bausch-Zentrum" werde 2027 bereits seine Türen öffnen, ist durch gar nichts begründet. Ebensowenig fortgeschritten wie die Bauplanung ist die künstlerisch - konzeptionelle Planung. Erst im Oktober 2021 wurden dafür zwei Stellen besetzt. Der Rat hat also im Jahr 2015 ein Projekt beschlossen, dessen Inhalt auch heute nicht bekannt ist. Nicht alle Wuppertaler Bürger sind glücklich mit dieser Situation, wie die Graffiti auf der Front des Schauspielhauses belegen.
Einst eine Schule, jetzt Abfall. copyright: Christian Zahn
Sinnlose Zerstörung. copyright: Christian Zahn
Ehemalige Terrassen zum Park. copyright: Christian Zahn
Die Gestaltung ist verloren. copyright: Christian Zahn
Die oberflächliche Arbeit der Verwaltung sowie die mangelhafte Kontrolle durch den Rat führen zusammen regelmäßig zu Bauprojekten, die objektiv unvernünftig und unverhältnismäßig teuer sind. Als Rechtfertigung wird vorgetragen, dass diese Projekte die Stadt und ihr Image prägen sollen. Sie sind dabei weder ökonomisch eigenständig noch Teil der notwendigen sozialen Infrastruktur. Sie sind ein politisches Programm und werden dementsprechend mit emotional aufgeladenen und gleichzeitig unscharfen Begriffen wie "Aufbruch", "Mut", "starkes Signal" oder "Transformation" umschrieben. Wer gegen diese Projekte ist, so suggeriert die Wortwahl, ist eine nörgelnde, feige, gestrige Person, die der "Stadt" nicht gut tut. Kritik wird daher regelmäßig mithilfe dieser Scheinargumentation, oder cancel culture zurückgewiesen, die Kritiker dabei persönlich diffamiert. Man kann das sehr gut in den sogenannten sozialen Netzwerken beobachten.
Zum Beispiel bei der Diskussion um die geplante BUGA. Der Unternehmer Heinz Schmersal wurde vom ehemaligen GMW-Chef Uwe Flunkert auf facebook beschimpft, nachdem er sich in einer Anzeige in der WZ argumentativ gegen die BUGA 2031 aussprach. Flunkert schreibt: "Was hat die Stadt diesem Mann nur getan, dass er sie so hasst. Nachkarten, keine Ahnung vom Bauen, aber alles besser wissen. Der Döppersberg ist excellent und gut abgewickelt worden und keinesfalls schlecht gemanagt worden."
Oder aber beim Thema Utopiastadt gGmbH. Auf der von Richard Joos, Mitglied im Vorstand des Fördervereins Utopiastadt, betriebenen website steht folgender anonymer Kommentar: "Noch witziger wird die ganze Geschichte, wenn man bedenkt, dass Christine Leithäuser ernsthaft mit einem bekannten Fake-Presseausweis rumrennt. Ausgestellt vom „DVPJ“, einer Institution, die das Kärtchen ausstellt, sobald wer die Kohle rüberwachsen lässt. Beliebt ist der Dienstleister insbesondere bei Betrügern, Nazis, Reichsbürgern, die sich davon auf Demos ein wenig mehr Narrenfreiheit erhoffen."
Anstelle dieser Äußerungen ist aber Transparenz angesagt. Manche Ratsmitglieder bemühen sich darum: Aufgrund der gestiegenen Baukosten von erst 3,8 Mio aus öffentlicher Förderung auf nunmehr 5,8 Mio für die Sanierung des Bahnhofes Mirke hat die Fraktion der freien Wähler am 4. Oktober 2021 eine große Anfrage an die Verwaltung gestellt. Zur Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses am 10. November 2021 erhielt sie eine schriftliche Antwort. Allerdings ohne jeglichen Beleg. In dem Dokument VO/1352/21/1-A heißt es: "Der Anteil der Planungskosten an den genannten 1,9 Mio. € ist hoch und ergibt sich aus zahlreichen öffentlich rechtlichen Normen, die bei einem Förderprojekt für eine Gemeinbedarfseinrichtung in einem Baudenkmal in privater Trägerschaft einzuhalten sind. Eine Auflistung aller geprüften Ausgabenpositionen wird vom Zentralen Fördermanagement (ZFM) auf Zuwendungsfähigkeit geführt. Wegen des Umfangs der Tabelle und wegen datenschutzrechtlicher Aspekte sind die Zahlen nicht als Anlage beigefügt."
Die Verweigerung der wesentlichen Informationen, die zur Prüfung notwendig sind, erbost nicht nur die freien Wähler. Noch in derselben Sitzung im November wurde die Vorlage dieser Informationen angemahnt und auch vom Zentralen Fördermanagement, einem Teil des Geschäftsbereichs des Kämmerers Dr. Slawig, verbindlich zugesagt. Anscheinend verzögert aber die Verwaltung diese Prüfung. Aus verlässlicher Quelle heißt es Mitte Januar 2022, dass die Aufstellung der Ausgaben von Utopiastadt dem Ausschuss immer noch nicht übermittelt wurde. Anfragen beim Fördermanagement nach dem Informationsfreiheitsgesetz wurden bislang ebenso wenig beantwortet.
Utopiastadt - wobei nicht klar ist, ob es sich um den Förderverein oder die gGmbH oder Mitarbeiter der gGmbH handelt - hat als Reaktion auf die Artikel in der Neuen Wuppertaler Zeitung eigene Angaben zur Transparenz gemacht. Auch hier fehlen die wesentlichen Informationen. Unter den Überschriften "7. Angaben zur Mittelherkunft" und "8. Angaben zur Mittelverwendung" heißt es lapidar: "Informationen folgen".
Der Mirker Bahnhof wurde schon einmal, in den Jahren 2000 bis 2008, von einer Privatperson saniert. Obige Fotos belegen auszugsweise den damaligen Stand der Arbeiten. Der "Kulturbahnhof" musste allerdings, in weiten Teilen bereits fertig gestellt, per Zwangsversteigerung veräußert werden. Dem damaligen Inhaber ging das Geld aus, zudem wurde keine baurechtliche Genehmigung zur Nutzung des ehemaligen Wartesaals 1. Klasse erteilt. Geplant war dort ein Theaterbetrieb. Die Stadtsparkasse erwarb das Gebäude für rund 500 000 Euro. In den folgenden Jahren bis 2011 verkam die Immobilie. Ein Teil der Wuppertaler Drogenszene hatte dort und in der direkten Umgebung ihre Treffpunkte, in den anliegenden Gärten wurde illegal gehaust. Potentielle Investoren waren dadurch abgeschreckt. Gegen den Verfall des Umfeldes wurde nichts unternommen.
Als absehbar war, dass sich der Bahnhof durch die Arbeit der Wuppertalbewegung in bester Lage an der Nordbahntrasse befinden werde, interessierten sich Christian Hampe und Beate Blaschczok, die heutigen Geschäftsführer der Utopiastadt gGmbH, für das Gebäude. Sie erhielten es von der Stadtsparkasse erst unentgeltlich zur Nutzung und schließlich als Schenkung. Die Stadt unterstützt die Utopiastadt gGmbH bis heute bei der Einwerbung von Fördermitteln bei Land und Bund. Trotz aller Verzögerungen bei der Sanierung. Zudem erhielt die gGmbH einen Millionenkredit der Stadtsparkasse, um das angrenzende Gewerbegebiet, den "Utopia-Campus", zu kaufen.
Ist diese gGmbH in der Lage, Bahnhof und "Campus" nachhaltig zu managen? Die Bilanz der für das Rechnungsjahr 2020 weist zum Stichtag insgesamt 2,66 Mio Euro an Verbindlichkeiten aus. Rund 200 000 Euro an langfristigen Verbindlichkeiten wurden im Vergleich zum Vorjahr getilgt. Aus welcher geschäftlichen Tätigkeit stammt diese Summe? Die einzigen Einnahmequellen der gGmbH sind laut eines Mitglieds des gleichnamigen Fördervereins, des einzigen Gesellschafters der gGmbH, Mieteinnahmen und Fördergelder. Transparenz wäre angebracht.
Den "Campus" kaufen wollte 2018 auch die Firmengruppe Küpper. Ihr Konzept passte zur Grundidee von Utopiastadt. Ein Park für alle, Kunst und Kultur, gemeinschaftliche Büro- und Veranstaltungsräume, sozialer Wohnungsbau. Sie erhielten den Zuschlag nicht, weil die Stadt Wuppertal die Verhandlungen mit Aurelis führte und die Utopiastadt gGmbH preferierte. Die Firmengruppe jedenfalls hat bislang alle ihre Projekte im Zeit- und Kostenrahmen fertig gestellt.
Den Bahnhofsvorplatz konnten Stadt und gGmbH nicht von der Aurelis kaufen. Dies tat die Rockhedge AG , eine mit der Renaissance AG verbundene Firma, die Immobilien und Grundstücke managt. Mit Mitteln aus der Städtebauförderung des Landes wird dort derzeit der denkmalgeschützte Treppenaufgang zum Bahnhof Mirke für 570 000 Euro saniert. Man braucht die Treppe wegen des solar decathlon, der im Juni 2022 auf dem "Campus" stattfinden soll. Zudem will das Cafe Hutmacher, das ist die Bärtig UG, auf dem Vorplatz einen Biergarten einrichten. Gesellschafter dort sind u.a.: Christian Hampe und Beate Blaschczok. Also wird mit Steuergeldern die Wertsteigerung des Grundstücks für die Rockhedge AG finanziert, die wiederum der Stadt das Gelände unentgeltlich zur Nutzung überlässt. Am meisten profitiert die Bärtig UG durch das fertig aufbereitete Areal. Auf Wunsch der Utopistadt gGmbH sieht der städtebauliche Entwurf anders aus als die historische Treppe zum Zeitpunkt der Erbauung des Mirker Bahnhofes. Auch dazu gibt es Kritik und eine Petition, die für die Wiederherstellung im historisch richtigen Gewand wirbt.
Die Schlüsselbeispiele haben gezeigt, dass Stadtverwaltung und die Mehrheit des Stadtrates, wenn sie selber als Bauherr und Eigentümer auftreten oder die Bauvorhaben an ihnen politisch nahestehende Interessengruppen übertragen, damit politische Projekte verwirklichen wollen. In vielen Fällen sind Planung und Controlling unzureichend. Daher kommt es bis zur Fertigstellung häufig zu erheblichen Preissteigerungen.
Damit greift die Stadt Wuppertal erheblich in den Markt ein, verzerrt die Preise und verhindert privatwirtschaftliches, professionelles Engagement unabhängiger Investoren. Dieses Verhalten führt zu einem Vermögensschaden für den Bürger. Wegen des unwirtschaftlichen Einsatzes der vorhandenen öffentlichen Mittel und der Ausgrenzung unabhängiger Immobilienentwickler verzögern sich notwendige Baumaßnahmen über Jahre oder fallen ganz aus.
Warum zieht niemand die beteiligten Akteure zur Rechenschaft? Hier haben wir es mit einem bundesweiten Phänomen zu tun. Tatsächlich wird das Thema unter Strafrechtlern bereits seit den 1980er Jahren diskutiert: Die Fälle, in denen Haushaltsuntreue durch die Gerichte geahndet werden, nehmen ab. Im Jahr 2011 erstellte Prof. Schünemann, LMU München, für den Bund der Steuerzahler ein Gutachten mit dem Titel "Unverzichtbare Gesetzgebungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Haushaltsuntreue und der Verschwendung öffentlicher Mittel". Er stellt fest: Während das Bedürfnis nach einer korrekten Bewirtschaftung der Staatsausgaben in der gegenwärtigen Situation gewissermaßen zu einer Überlebensfrage der Staatsfinanzen geworden ist, ist gleichzeitig und in dazu gegensätzlicher Bewegung die Tauglichkeit des Untreuetatbestandes zur Erfüllung dieser Aufgabe infolge der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes immer weiter reduziert und in manchen Bereichen geradezu marginalisiert worden. [...] In Verbindung mit dem gleichzeitigen Abbau traditioneller Kontrollformen der parlamentarischen Demokratie infolge der Stärkung der Bürokratie hat sich die [...] Steuerverschwendung [...] geradezu zu einer Gefährdung der rechtsstaatlichen Struktur der Bundesrepublik Deutschland ausgewachsen. [S.21]
Der Steuerzahler kann sich laut Schünemann nicht mehr auf die Gerichte und Parlamente verlassen, dass sie unredliches Handeln der Verwaltung verfolgen. Das ist eine Krise der Demokratie. Und das ist eben auch die Ursache für die derzeitige Situation des Wuppertaler Haushalts. Kann der Bürger noch irgendetwas tun? Ja. Öffentliche, sachliche, regelmäßige Kritik an diesem Zustand äußern. Das treuwidrige Verhalten ächten. Übler Nachrede entgegen treten.