Dreckige Netzwerke

24. Mai 2021 , Dr. Christine Leithäuser


Im März und im Mai 2021 hat der Rat der Stadt Wuppertal Standortentscheidungen für Schulen getroffen, die die finanzielle Situation dieser Kommune auf Jahrzehnte belasten werden. Die Entscheidungen wurden von der CDU und den GRÜNEN als alternativlos bezeichnet. Tatsächlich aber hat die Stadtverwaltung auf der Grundlage von Ratsvorlagen bewusst den falschen Eindruck erweckt, es gäbe kein besser geeignetes Grundstück als das an der Bockmühle für die siebte Gesamtschule und es gäbe kein anderes Ausweichquartier für temporäre Modulbauten als das auf der Hardt.

Den Stadtverordneten wurde verschwiegen, dass ein prinzipiell geeignetes Grundstück im Besitz der Stadt durch eine illegale Anschüttung mit unsortiertem Bauschutt in den Jahren 2016 bis 2018 für bauliche Zwecke ruiniert worden ist. Der Verursacher dieser Anschüttung wurde vom Umweltamt der Stadt nicht zur Rechenschaft gezogen. Das Bauamt der Stadt hat offensichtlich seine Kontrollfunktion ebenfalls nicht wahrgenommen. Das GMW lässt die Autorin zurzeit die dort vorhandenen Akten nicht einsehen. Die Staatsanwaltschaft hat noch nicht einmal Kenntnis von einer Umweltstraftat.

Es geht in diesem Artikel um Grundstücke an der Wilkhausstraße 133 und am Simonshöfchen. Es geht um Mitarbeiter in Behörden, die ihren dienstlichen Auftrag nicht wahrnehmen. Es geht um einen betrügerischen Unternehmer, der in Wuppertal Abrisse durchführt und kontaminierten Boden und Bauschutt illegal entsorgt. Es geht um Kosten, die der Allgemeinheit entstehen, weil diese Deponien saniert werden müssen und zusätzliche Grundstücke für städtische Bauvorhaben gekauft wurden.

Die ehemalige Grundschule an der Wilkhausstraße vor dem Abriss, bearbeitet. Copyright Christian Zahn



Wilkhausstraße 133, Hatzfeld

Im Frühsommer 2016 beginnt der Abriss der ehemaligen Grundschule an der Wilkhausstraße 133. Nach jahrelanger Verzögerung dieses Projektes überstürzen sich plötzlich die Ereignisse. „Meine Kinder standen mit offenem Mund im Garten und haben sich die Baumaschinen angesehen. Schon morgens um sieben standen die Sattelschlepper Schlange. Bis abends wurde gearbeitet, teilweise auch Samstags.“ Anwohner berichten von umgefahrenen Verkehrsschildern und einer beschädigten Fahrbahn. Von Dreck, Lärm, Staub. Die Schule wird mit einer hydraulischen Zange abgebrochen und grob zerkleinert, danach mit Sattelschleppern abtransportiert. Zuletzt wird die Böschung wieder hergestellt und sauber abgezogen. Dann folgt eine sehr kurze Phase der Ruhe.

Wenige Wochen später tauchen wieder Sattelschlepper auf. Wieder verschiedene. Diesmal kommen sie voll beladen, kippen unsortierten Bauschutt ab und verschwinden. Erneut richten sich die Nachbarn an die Stadtverwaltung, aber ohne Reaktion. Das geht so bis ins Jahr 2018. Heute ist die alte Böschung zugeschüttet, man sieht eine ebene Fläche, auf der kaum etwas wächst, durchsetzt mit Asphaltbrocken, Plastik und Ziegelsteinen. Das ehemalige, mit Natursteinen gefasste Quellbecken des „Gelben Sprungs“, die ehemalige Lichtung und Wiese, der Hang, der den Kindern zum Schlittenfahren diente, alles ist weg. Geschätzte 10 000 m³ unbekanntes Material liegen hier. Im Sommer 2019 habe eine Bochumer Firma dort Bohrungen eingebracht, sagen die Anwohner. Zu welchem Zweck? Mit welchem Ergebnis? Niemand erfährt etwas.

Erst im Jahr 2021 steht das Grundstück wieder im Interesse der Öffentlichkeit. Da es nach wie vor der Stadt gehört, käme es als Standort für die siebte Gesamtschule in Frage. Aus dem Ressort Stadtentwicklung und Städtebau schreiben Elke Werner und Ann-Katrin Tigges am 14.10.2020: „Das dargestellte Hauptgrundstück umfasst eine Grünfläche (im B-Plan als Spielplatz festgesetzt), ein ehemaliges, nun frei geräumtes Schulgrundstück sowie eine Turnhalle. Auch wenn ein wesentlicher Teil des Grundstücks bereits in baulicher Nutzung war bzw. sich noch in Nutzung (Turnhalle) befindet, wird im Fall der Realisierung ca. 6.000 – 7.000 m2 Freiraum beansprucht. Zudem wird die Planung Einfluss auf das Landschaftsbild nehmen. Das Gelände ist bewegt und fällt nach Süd-Osten zum Quellgebiet des Bachlaufs Gelber Sprung ab. Die Quelle liegt außerhalb des potenziellen Planungsraums.“ (VO 0254/21 Standortsuche Teil 1 , S. 32f., gleichzeitig Ratsvorlage für die Sitzung am 1. März 2021) Die Autorinnen verschweigen die Anschüttung und nennen als Hinderungsgrund für den Schulstandort das „Landschaftsbild“. Das ist gelogen, ist doch das Landschaftsbild zu dem Zeitpunkt längst zerstört. Zu verantworten hat diesen Text letztlich der Oberbürgermeister, zusammen mit dem Geschäftsbereich Wirtschaft, Stadtentwicklung, Klimaschutz, Bauen und Recht ist er Herausgeber der Ratsvorlage.

In der nächsten Ratssitzung, am 10. Mai 2021, wird das Grundstück erneut thematisiert. In der Vorlage zur Standortsuche für temporäre Schulbauten heißt es über die Wilkhausstraße 133: „Gründe, die gegen eine Bebauung sprechen: Aufgeschütteter Untergrund eignet sich nicht für eine Bebauung (sehr hohe Kosten), Starker Eingriff in Freiraum und Landschaftsbild, Bebauung Frischluftschneise.“ Hier erfährt der Rat erstmals, dass ein städtisches Grundstück wegen einer Anschüttung nicht nutzbar ist. Der starke Eingriff in den Freiraum und das Landschaftsbild hat längst stattgefunden, wird aber wieder verschwiegen. Diese Ratsvorlage zeigt auch keine Lageskizze mehr, anders als bei der vorherigen. Auf jener konnte man das Ausmaß der Anschüttung noch nachvollziehen. Niemand im Rat der Stadt reagiert auf diese Unstimmigkeiten und fragt nach.

Verantwortlich für diese Vorlage zeichnet Frau Montag, Chefin des GMW, mitgezeichnet hat der Kämmerer, Dr. Slawig, erstellt hat sie Herr Lehn. Letztlich verantwortlich aber ist wieder der Oberbürgermeister, zu dessen Geschäftsbereich das GMW gehört. Sie alle verschweigen das Wesentliche: Im jetzigen Zustand ist das Grundstück Wilkhausstraße 133 zu gar nichts mehr zu gebrauchen. Offenkundig will niemand aus dieser Gruppe eine vertiefte Diskussion über den Standort. Sie raten den Stadtverordneten Wuppertals in der Vorlage davon ab, das Gelände als Schulgelände für Neubauten oder als Ausweichquartier in Betracht zu ziehen. Sie wollen genau diese Frage nicht beantworten müssen: Wer hat zugelassen, dass diese Fläche jetzt nicht mehr genutzt werden kann und mit einem Abfallgemisch zugeschüttet wurde?

Am 4. Mai 2021 habe ich einen Termin zur Akteneinsicht im Rathaus. Aber ich bekomme nicht alles zu sehen, was ich angefordert habe. Der Abbruchantrag für die Grundschule, ein Prüfbericht zur Schadstoffbelastung des Gebäudes sowie ein Abbruch- und Verwertungskonzept sind vorhanden. Die Fertigstellungsanzeige des Abbruchs und die Entsorgungsnachweise fehlen. Ebenso fehlen die Baugenehmigung für die Anschüttung sowie ein wasserrechtliches Gutachten. Was ich erfahre, ist: Am 4. März 2016 hat das Gebäudemanagement der Stadt Wuppertal einen Antrag auf Abbruch des Schulgebäudes an der Wilkhausstraße 133 an die untere Bauaufsichtsbehörde gestellt. Bearbeitet wurde er vom Bautechnischen Team West, genauer von Jens Erdmann als Sachbearbeiter. Die Teamleiterin ist Frau Sandra Giersch. Am 29. April prüfte Herr Erdmann den Antrag und machte einen entsprechenden Vermerk, die Genehmigung erfolgt am 3. Mai 2016. Der Prüfbericht listet die im Gebäude verbauten gefährlichen Stoffe auf. Asbest in Eternitplatten und Feuerschutztüren sowie PCB in der Fugenmasse der Fassade. Hinzu kommen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in der verwendeten Dachpappe, in Anstrichen und Dichtungen. Zudem Mineralwolle in Zwischenwänden und abgehängten Decken. Alle diese Stoffe gehören zur Kategorie gefährliche Abfälle, sie müssen vor einem Abriss ausgebaut und separat entsorgt werden. Im Bericht heißt es eindeutig: „Alle beim Abbruch anfallenden Materialien sind gemäß dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zu entsorgen bzw. zu verwerten. […] Die endgültigen Entsorgungs- bzw. Verwertungswege sind mit den zuständigen Umweltbehörden im Vorfeld abzustimmen.“ Die Abbruchgenehmigung wurde erteilt, allerdings mit dem eindeutigen und erneuten Hinweis auf die notwendige Trennung und Entsorgung der gefährlichen Stoffe. Ebenso wurde die Auflage gemacht, dass nur das im Antrag genannte Abbruchunternehmen die Arbeiten ausführen dürfe. Herr Erdmann sagte mir, er wisse von keiner Beschwerde, wenn es sie gegeben hätte, müsste sie in der Akte zu finden sein. Auch von der anschließenden Anschüttung an der Wilkhausstraße weiß Herr Erdmann angeblich nichts. Er sei niemals vor Ort gewesen. Dass der Abriss stattgefunden habe, könne er ja auf den Luftbildern sehen. Interessante Bemerkung, denn: Die Anschüttung kann man auch auf den Luftbildern sehen.

Das Grundstück Wilkhausstraße 133 nach dem Abriss. Quelle: Google Maps, Zugriff 24.05.2021


Jedenfalls wurde keine der Auflagen der Bauaufsicht beim Abriss erfüllt. Weder wurden die gefährlichen Stoffe separat entsorgt, noch hat das im Antrag genannte Abbruchunternehmen aus Esslingen diesen Auftrag ausgeführt. Mir liegt die schriftliche Bestätigung dieser Firma vor. Stattdessen rissen Mitarbeiter des Unternehmers Günter Simon die Schule ab. Adnan Seferović, seinerzeit Baggerfahrer bei Günter Simon, genauer bei der GS Abbruchtechnik, bezeugt die Umstände des Abrisses an der Wilkhausstraße: Die Baustoffe aus dem Abriss der Schule seien unsortiert auf einer illegalen Halde in Vohwinkel abgekippt worden. Auch die Anschüttung an der Wilkhausstraße gehe auf Günter Simon zurück. Dieser war 2016 Eigentümer des Grundstückes in Vohwinkel und Hauptgesellschafter der Firma GS Abbruchtechnik GmbH, der SOP Abbruchtechnik GmbH, bis 2014 der SOP Galabau und im Zeitraum von 2006 bis heute diverser anderer Firmen aus der Abbruch- und Immobilienbranche mit ähnlichen Bezeichnungen, wechselnden Geschäftsadressen sowie wechselnden Geschäftsführern. Die meisten dieser Unternehmungen sind heute liquidiert.

Warum hat der Antragsteller aus dem GMW, Herr Schulte Bocholt aus dem „Team Planung“, im Abbruchantrag eine Firma genannt, die von dem gesamten Vorgang gar nichts weiß? Warum ist niemand vom GMW, vom Umweltamt oder der Bauaufsicht auf der Baustelle gewesen, um den Abriss zu kontrollieren? Wer hat die Rechnung für den Abbruch gestellt? Auf wessen Konto wurde der Rechnungsbetrag überwiesen? Wie ist diese Zahlung verbucht worden? Wurden Unterlagen gefälscht? Warum findet sich keine einzige Anwohnerbeschwerde in der Akte der unteren Bauaufsicht?

Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die beauftragten Mitarbeiter der Stadtverwaltung und des GMW vorsätzlich gehandelt haben. Mindestens haben sie in verantwortlicher Position gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz verstoßen. Z.B. gegen § 22, der die Beauftragung Dritter regelt: „Die zur Verwertung und Beseitigung Verpflichteten können Dritte mit der Erfüllung ihrer Pflichten beauftragen. Ihre Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Pflichten bleibt hiervon unberührt und so lange bestehen, bis die Entsorgung endgültig und ordnungsgemäß abgeschlossen ist. Die beauftragten Dritten müssen über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügen.“

Ein Unternehmer, der ein schadstoffbelastetes Gebäude ohne weitere Schutzeinrichtungen durch seine Mitarbeiter abreißen und anschließend die Gebäudereste illegal deponieren lässt, begeht eine sogenannte Umweltstraftat nach § 330 Strafgesetzbuch (StGB) : „ […] Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter […] ein Gewässer, den Boden oder ein Schutzgebiet im Sinne des § 329 Abs. 3 derart beeinträchtigt, daß die Beeinträchtigung nicht, nur mit außerordentlichem Aufwand oder erst nach längerer Zeit beseitigt werden kann, […und] aus Gewinnsucht handelt. […] Wer durch eine vorsätzliche Tat nach den §§ 324 bis 329 einen anderen Menschen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder eine große Zahl von Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt […] wird […] mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren […] bestraft."

Betrachtet man nun die Bauschutthalde am Simonshöfchen und seine Geschichte genauer, konkretisiert sich der Verdacht auf vorsätzlich rechtswidriges Handeln der Kontrollbehörden. Das Verhalten des Leiters des Umweltamtes des Stadt Wuppertal gegenüber den Anwohnern der illegalen Deponie am Simonshöfchen in Vohwinkel ist durch eine umfangreiche Korrespondenz und Fotos aus den Jahren 2012 bis 2016 belegt.


Simonshöfchen, Ecke Gruitener Straße 240, Vohwinkel

Die „Entsorgung“ des Bauschutts von der Wilkhausstraße am Simonshöfchen blieb dort nicht unbemerkt. Anwohner beschwerten sich beim Umweltamt der Stadt fortwährend seit dem Jahr 2012, als Günter Simon dort mit den Anschüttungen begann. Günter Simon hat dieses Grundstück kontinuierlich in den Jahren 2012 bis 2014 und dann wieder 2016 für die illegale Entsorgung von Erdaushub und Bauschutt genutzt. Gekauft hatte er es im Jahr 2007 von der Stadt Wuppertal. Das Grundstück war nie als Deponie geplant oder genehmigt worden. Die Anwohner dokumentierten die Vorgänge mit Fotos. Zeitungsartikel in der lokalen Presse beschäftigten sich im Jahr 2014 mit den dortigen Vorgängen. Auch war mehrmals die Polizei vor Ort. Aber Günter Simon wurde nie von der Stadt oder von der Staatsanwaltschaft gestoppt. Heute ist die Halde verlassen und ragt bis zu acht Meter über das ursprüngliche Bodenniveau auf.

Als nach zwei Jahren relativer Ruhe im Juni 2016 wieder Lastwagen und Bagger von einer der Firmen Günter Simons am Simonshöfchen auftauchen und umfangreiche Erdarbeiten vollziehen, wendet sich die Anwohnerin Frau Kümpel erneut an den Leiter des Umweltamtes, Hubert Nobis. In den Jahren zuvor hatte sie Dutzende solcher Meldungen verfasst, sogar einen Anwalt auf eigene Kosten eingeschaltet. Sie ist der Ansicht, dass dieses Abkippen von unsortiertem Bauschutt und Bodenaushub rechtswidrig ist. Also schreibt sie am 8. Juni 2016: „Hallo Herr Nobis, heute, ca. 15 Uhr wurden mit dem LKW der FA. SOP amtl. Kennz W-GS 1130 wieder 2 Ladungen Erdaushub oder ähnliches abgeladen (s. beigef. Fotos)“. Und am 27. Juli 2016 „Guten Tag Herr Nobis, Gestern wurde mit dem Bagger ein Streifen der Halde Richtung Krutscheider Bach geschoben, wahrscheinlich um Platz zu schaffen für neue Anlieferungen. Die LKW Ladungen von gestern wurden direkt mit dem Bagger verteilt, ebenso mehrere Lieferungen, die heute kamen. Die Halde wächst also wieder. Wie ist das mit dem Gewässerschutz, wenn der Dreck immer weiter Richtung Bach geschoben wird? Ist das Material belastet? Hier gibt es viele offene Fragen, wie immer.“

Das Landesbodenschutzgesetz NRW regelt solche Fälle eindeutig. Hier ein Auszug aus § 15, der die Aufgabe der Behörden betrifft:

  • (1) Die zuständigen Behörden haben […] darüber zu wachen, dass die Bestimmungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes, dieses Gesetzes und der auf die vorgenannten Gesetze gestützten Rechtsverordnungen eingehalten und auferlegte Verpflichtungen erfüllt werden.
  • (2) […] Die Kosten der auf Grund dieses Gesetzes angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung Verpflichteten. […]
  • (3) Bei schädlichen Bodenveränderungen, von denen auf Grund von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in besonderem Maße Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, kann die zuständige Behörde die Information der Betroffenen, Sanierungsuntersuchungen, die Erstellung von Sanierungsplänen und die Durchführung von Eigenkontrollmaßnahmen verlangen und ergänzende Anordnungen treffen. [...]
  • (4) Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben können sich die zuständigen Behörden Dritter, insbesondere Sachverständiger und Untersuchungsstellen im Sinne des § 18 BBodSchG und des § 17 dieses Gesetzes bedienen.
Die Mitteilungspflichten sind in § 2 des Landesbodenschutzgesetzes NRW geregelt:
  • „Wer Materialien auf oder in den Boden nach § 12 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung in einer Gesamtmenge je Vorhaben von über 800 m³ auf- oder einbringt oder hierzu einen Auftrag erteilt, hat dies der zuständigen Bodenschutzbehörde unter Angabe der Lage der betroffenen Fläche, der Art und des Zwecks der Maßnahme, des Materials sowie dessen Inhaltsstoffe und Menge anzuzeigen, sofern diese Maßnahmen nicht Gegenstand eines verbindlichen Sanierungsplanes nach § 13 Abs. 6 BBodSchG oder einer anderen behördlichen Entscheidung sind, an der die zuständige Bodenschutzbehörde zu beteiligen war. Die Anzeige soll mindestens vier Wochen vor Beginn der Maßnahme bei der zuständigen Bodenschutzbehörde eingehen.“

Zusammengefasst: Der Unternehmer hat vorab zu melden, was er abkippen will, die Behörde muss diese Angaben kontrollieren und die Tätigkeit überwachen. Das ist nicht die Aufgabe der Nachbarn. Herr Nobis interpretiert die gesetzlichen Grundlagen sehr frei. Er antwortet am 27. Juli 2016 Folgendes: „Sehr geehrte Fam. Kümpel, Herr Simon hat mitgeteilt, dass für die Verlegung der Stromleitung zur Zeit ein Graben angelegt wird. Angeblich soll der angelieferte Boden für die Herstellung von Bagger-Aufstandsflächen und die Grabenverfüllung verwendet werden. Ich habe mir den angelieferten Boden gestern angesehen. Es handelt sich um Mutterboden und geogenen Bodenaushub. Hinweise auf Belastungen waren nicht erkennbar. Für den angegebenen Zweck erscheint der Boden schadlos verwertbar.“ Mit seiner persönliche Inaugenscheinnahme entlastet er den Unternehmer von allen weiteren Pflichten. Tatsächlich sah die Halde im Juli 2016 so aus:


Von einem Graben ist hier nichts zu sehen, auch nicht von Vorbereitungen für den Rückbau der Halde, wie Herr Nobis in dem Schreiben behauptete. Das Material auf dem Bild wurde hingegen zu einem späteren Zeitpunkt zum Abdecken von weiterem eingebrachten Bauschutt genutzt.

Schon einmal hat Herr Nobis die Halde am Simonshöfchen besucht. 2014, am 3. Dezember, wurden dort einige Löcher aufgebaggert und das deponierte Material geprüft. Ebenfalls dabei war Herr Marc Walter, Abteilungsleiter des Referates 105.1, Bauleitplanung. Die städtischen Vertreter legten fest, dass nur wenige Meter tief und nur fünf Mal gegraben werden solle . Sie fanden an diesen Stellen Mutterboden, durchsetzt mit Bauschutt. Diese Mischung muss nicht schadstoffhaltig sein, dennoch liegt auch hier schon ein Verstoß gegen Gesetze vor. Nach § 202 BauGB ist bei der Errichtung und Änderung baulicher Anlagen der Mutterboden in nutzbarem Zustand zu erhalten und vor Vernichtung oder Vergeudung zu schützen. Günter Simon hat also mindestens gegen dieses Bundesgesetz verstoßen, was Hubert Nobis hätte beanstanden müssen. Dazu kommt, dass bei einer so großen Halde mit nur fünf kleinen Stichproben nichts bewiesen werden kann. Herr Nobis behauptet aber gegenüber Frau Kümpel am 14. September 2017: „es wurden repräsentative Bodenproben entnommen und in ein chemisches Labor überstellt. Eine Gefahr, sowie ein weitergehender Untersuchungsbedarf lässt sich […] nicht ableiten.“

Zur Höhe der Halde und zur Frage des Rückbaus teilt Herr Nobis mit, dass die Anschüttung baurechtlich genehmigt sei. Da das Grundstück inzwischen verkauft sei, habe Herr Simon den geplanten Rückbau nicht duchgeführt. Ganz offenkundig hatten weder Herr Nobis noch Herr Walter vor, den Verursacher der Anschüttung in irgendeiner Form zur Rechenschaft zu ziehen. Mit dem Verkauf der Grundstücks war der Fall für sie abgeschlossen.

Genau gegensätzlich sieht die Bewertung des Amtsgerichtes Wuppertal aus. Schon am 16. Februar 2017, also zehn Monate vor der positiven Einschätzung der Halde am Simonshöfchen durch Herrn Nobis, schreibt die Richterin Schlosser (Az 9 GS 272 – 274/17) in der Begründung eines Durchsuchungsbeschlusses gegen Herrn Simon: „Seit dem 07.12.2007 ist der Beschuldigte Simon Eigentümer des Grundstücks […] Simonshöfchen in Vohwinkel. Auf seinen Antrag hin war ihm durch die Stadt Wuppertal genehmigt worden, auf den Flurstücken eine Anschüttung mit Material der Kategorie ZO in einem Volumen von 100t zu lagern. Nach den Beobachtungen von Anwohnern und Besichtigungen des Grundstücks besteht hier der Verdacht, das[s] ein Vielfaches der genehmigten Abfallmenge auf das Grundstück eingebracht wurde und es sich zudem bei dem eingebrachten Abfall nicht nur um Abfall der Kategorie Z0 handelt, sondern auch um gefährliche Stoffe, wie Asbest oder Öle, und somit eine Anlage ohne Genehmigung betrieben wird. (Straftat gemäß § 327 Abs. 2 Nr. 3 StGB)“

Das Amtsgericht straft Herrn Nobis Lügen. Weder gab es eine Baugenehmigung noch ist die Anschüttung bis auf eine Höhe von acht Metern über Geländeniveau rechtens. Nach der Durchsuchung 2017 ist es dennoch bis heute nicht zur Anklage des Herrn Simon gekommen. Auf Nachfrage schreibt OStA Wolf-Tilman Baumert am 17. Mai 2021: „Die Staatsanwaltschaft Wuppertal ermittelt bereits seit mehreren Jahren gegen einen 67 Jahre alten Mann wegen des Verdachts des Betruges pp. Gegenstand des Verfahrens ist unter anderen der Vorwurf, dass der Beschuldigte teilweise über Dritte immer wieder Unternehmen im Baubereich gründet und betreibt. Im Zuge der Geschäfte dieser Unternehmen soll es auch mehrmals zu Umweltstraftaten im Bereich der illegalen Beseitigung von Abfallstoffen gekommen sein. Die Ermittlungen in diesem Verfahren stehen kurz vor dem Abschluss.“

Genau diese Auskunft erhalten alle Personen, die Anzeigen gegen Herrn Simon bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal eingereicht haben, schon seit Jahren. Zumindest für die illegalen Deponien an der Wilkhausstraße und am Simonshöfchen sieht es danach aus, als komme Herr Simon straffrei davon. Diese Straftaten liegen mehr als fünf Jahre zurück, man kann annehmen, dass sie als verjährt eingestuft werden.


Und wer räumt den Dreck wieder weg?

Das ist kein Trost für die Bürger, die am Simonshöfchen oder an der Wilkhausstraße wohnen und arbeiten. Ihr Eigentum hat an Wert verloren, zudem ist nach wie vor offen, welche und wieviele Schadstoffe in den Deponien vergraben liegen. In beiden Fällen fließt am Fuß der Halde ein Bach. Die gefährlichen Abfälle von der Grundschule Wilkhausstraße jedenfalls schlummern noch irgendwo: Asbest, PCB, PAK.

An der Wilkhausstraße ist die Stadt nach wie vor Eigentümer. Als Eigentümer hätte sie die ordnungsgemäße Entsorgung bzw. Wiederverwertung der Abfälle und Schadstoffe überwachen müssen. Also hat sie die jetzige Situation mindestens mit verursacht. Die Aktenlage lässt aufgrund der falschen Einträge durch den Antragsteller Schulte Bocholt vom GMW keine direkten Rückschlüsse auf die tatsächlich ausführende Firma zu. Es bleibt die Aussage des Baggerfahrers. Auf dieser Grundlage wird ein Schadensersatzprozess kaum zu gewinnen sein. Also muss der Bürger für die Sanierung des Grundstückes zahlen. Und zusätzlich die Kosten dafür tragen, dass andere Grundstücke für Schulneubauten gekauft oder genutzt werden: Über sechs Millionen für die Grundstücke an der Bockmühle und über vier Millionen für den Abriss auf der Hardt. Dies sind Kosten, die bei ordnungsgemäßer Amtsführung nicht entstanden wären.

Kann man wegen der Deponie am Simonshöfchen jemanden zur Rechenschaft ziehen? Dort hat tatsächlich ein Verkauf stattgefunden. Im Jahr 2017 kaufte die Fresh Gourmet Group Ltd. das Areal auf. Diese Gesellschaft wurde in Großbritannien im Jahr 2015 online registriert und hat nie eine Geschäftstätigkeit ausgeführt. Inzwischen ist sie aufgelöst. Gegründet wurde sie von einem Geschäftspartner von Günter Simon, einem Herrn Werner Ingenkamp . Die im Liegenschaftsregister der Stadt Wuppertal angegebene Geschäftsadresse der Fresh Gourmet Group ist die Eupener Straße 8 in Düsseldorf–Heerdt. Dort befindet sich allerdings ein Hundesalon. Anscheinend hat niemand in der Stadtverwaltung Wuppertal jemals versucht, diese Firma zu erreichen, damit sie die Halde zurückbaut. Die im Unternehmens-Register für England und Wales hinterlegte Geschäftsadresse ist die Mühlengasse 17 in Mechernich. Dort war einmal eine ganz andere Immobiliengesellschaft ansässig, die ebenfalls liquidiert ist. Man hat es wohl mit einer Reihe von Scheingesellschaften zu tun, die mit dem Zweck gegründet wurden, sich der Verantwortung zu entziehen. Das Flurgrundstück 425 ist also herrenlos. Das Bodenschutzgesetz hätte aber längst angewendet werden können, da es eine Haftungspflicht für den Verursacher von Umweltschäden vorsieht. Aber leider ist Herr Simon nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Damit bleiben die Kosten für die umweltgerechte Sanierung bei der öffentlichen Hand. Also den Steuerzahlern.

Es ist wohl angemessen, das Handeln der Verantwortlichen in der Stadtverwaltung und beim GMW für die geschilderte Situation umfänglich zu untersuchen, um ähnliches für die Zukunft zu verhindern. Selbst wenn strafrechtlich nichts mehr zu erreichen ist, muss geprüft werden, ob disziplinarrechtliche Sanktionen in Frage kommen. Das ist umso dringender, weil es weitere illegale Deponien gibt. Damit beschäftigt sich der nächste Artikel.