Foto mit freundlicher Genehmigung von Rainer Szesny
08. April 2022 , Dr. Christine Leithäuser
Propaganda: „Die systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen.“ (Oxford Languages)
Nach der erfolgreichen Sammlung von mehr als 14 000 Unterschriften und der Durchsetzung eines Bürgerentscheids zur BUGA 2031 in Wuppertal wird der politische Diskurs zum Thema zunehmend durch die Propaganda der Befürworter beherrscht, kritischen Stimmen wird kein Raum gelassen. Das in den Medien vorherrschende Narrativ lautet so: die Bundesgartenschau ist ein geeignetes Instrument zur nachhaltigen, partizipativen Entwicklung der Stadt Wuppertal. Tatsächlich aber werden mit der Bundesgartenschau persönliche und ökonomische Interessen durchgesetzt.
Die ursprüngliche Idee für eine Bundesgartenschau geht auf den ehemaligen OB Peter Jung zurück. Aber erst unter Andreas Mucke erteilte die Stadt Wuppertal im Jahr 2018 den Auftrag für eine sogenannte Machbarkeitsstudie. Das durchführende Büro von Stephan Lenzen hat bereits mehrere solcher Machbarkeitsstudien erstellt, zuletzt für die dezentrale BUGA 2029 Oberes Mittelrheintal.
Das Planungsbüro Lenzen fertigte für die Stadt Wuppertal insgesamt zwei Machbarkeitsstudien (2018 und 2021) an. Die zweite, als „Überarbeitung“ bezeichnet, unterscheidet sich nur geringfügig von der ersten. Sie wurde notwendig, da einige Ausstellungsflächen, mangels Verfügbarkeit der Grundstücke, aus der Planung gestrichen werden mussten. Die beiden Studien kosteten 221 750,55 Euro.
Aber: Die vorliegenden Dokumente sind gar keine Studien. Diese Bezeichnung wurde offenkundig gewählt, um vorzutäuschen, es handele sich um wissenschaftliche Untersuchungen. Auf den ersten 35 Seiten der "Überarbeitung" liest man ausschließlich banale Sätze wie: „Ganz im Westen Wuppertals liegt Vohwinkel. Für den Bahnverkehr war und ist der Ortsteil von Bedeutung. Am Bahnhof Vohwinkel vereinen sich die wichtigen Bahnlinien aus Richtung Düsseldorf, Köln und Essen. Hier startet die Schwebebahn. Aufgegebene Gleisanlagen bieten heute Perspektiven für alternative Nutzungen. So entsteht auf dem alten Lokschuppenareal ein neues Wohnquartier.“ (S.33) Dieser Text liegt auf dem inhaltlichen und sprachlichen Kompetenzniveau eines Mittelstufenschülers, der ein Referat über seine Heimatstadt halten soll.
Ab der Seite 36 werden mit Kartenskizzen ergänzte Ideen, welche Flächen wie für die BUGA genutzt werden sollen und wie Besucherströme geleitet werden könnten, vorgestellt. Zum Beispiel so: „ein digitales Shuttle-Leitsystem [leitet] die Besucherinnen und Besucher auf bereits vorhandene Parkplätze und [befördert] sie dann über smarte Sammelbusse zu den Haupteingängen.“ (S. 41) Eine Machbarkeitsstudie müsste an dieser Stelle Aussagen darüber treffen, wie binnen 8 Jahren in Vohwinkel das schon heute bestehende Verkehrsproblem gelöst sein wird, auf welche Weise zusätzlich ein „digitales Shuttle-Leitsystem“ und die „smarten Sammelbusse“ entstehen können, zu welchen Kosten, in wessen Verantwortung und auf welchen Flächen diese fahren werden. Aber genau diese Fragen bleiben unbeantwortet. Das ist keine Kleinigkeit. Zum Vergleich: Schon für die Einrichtung von 800 Metern Fahrradstraße braucht die Stadtverwaltung mehr als zwei Jahre.
Statt detaillierte Planung vorzulegen, stellt die „Machbarkeitsstudie“ einen politischen Anspruch: (S. 91) „Besonderes Augenmerk wurde auf die Nachhaltigkeit in Bezug auf das Potenzial gelegt, Impulse für die Stadt als Ganzes zu geben. Schließlich ist eine BUGA nicht nur eine sechsmonatige Leistungsschau der „Grünen Branche“ sondern vor allem ein Instrument der Stadtentwicklung.“ Aber was sollen diese Sätze bedeuten? Sie sind inhaltsleer, nutzen aber Begriffe, die im politischen Diskurs derzeit positiv konnotiert sind. So entsteht der Eindruck, es würden im Text sozial und städtebaulich nützliche und notwendige Neuerungen vorgestellt. Bei der Vorstellung der sogenannten „Kernareale“ wird dieser Anspruch aber nicht eingelöst: Erstes Beispiel: „Neues Wohnen im Wuppertaler Westen“ bedeutet, dass ein Park neben neuen Wohnblocks, die die Clees-Gruppe baut, entstehen soll. Das ist nicht innovativ, vielmehr unnötig. Denn dafür gibt es das ordnungsrechtliche Instrument des Bebauungsplans. Zweites Beispiel: Zum „Tourismusmagnet für Wuppertal“ soll der Wuppertaler Zoo werden. Ergänzt um eine Seilbahn, die wiederum zu einer Hängebrücke zwischen zwei derzeit noch intakten Waldarealen führt. Also präsentiert die Machbarkeitsstudie die Idee, einen bestehenden Freizeitpark auszubauen, um mehr externe Besucher anzulocken. Ist das „Stadtentwicklung“? Auch hier fehlen Berechnungen und Simulationen zu den langfristigen Besucherzahlen, den genutzten Verkehrsmitteln, den Umsätzen, den Effekten auf die Tiere, die Umwelt, die Anwohner.
Blick auf das "Areal Tesche", das zum Bürgerpark werden soll. copyright: Rainer Szesny
Die Finanzierbarkeit der BUGA wird in einem gesonderten Kapitel betrachtet. Es ist ohne weiteres Material nicht möglich, die einzelnen Posten nachzuvollziehen. Dennoch fallen zwei grobe Unstimmigkeiten auf. Erstens: Die Bausumme für die Hängebrücke beträgt laut Berechnung von S.73 insgesamt 15 350 286 Euro brutto. Im Investitionshaushalt wird die Hängebrücke nur mit 12 800 000 Euro taxiert (S.114). Zweitens: die Besuchsprognose, erstellt von dem Dienstleister Montenius Consult listet 710 000 BUGA Besuche allein aus dem Kreis der Einwohnerschaft Wuppertals auf (S.124). Wuppertal zählte Ende 2021 knapp 362 000 Einwohner. Davon sind 233 527 Einwohner zwischen 25 und 75 Jahren alt . Setzt man voraus, dass diese Altersgruppe Interesse an der BUGA hat, müsste jede Person aus dieser Gruppe die Gartenschau drei Mal besuchen. Das ist nicht wahrscheinlich.
Die Bundesgartenschau Gesellschaft schreibt auf ihrer website: „Grundlage einer jeden BUGA/IGA Planung und Realisierung ist ein realistisches Finanzierungskonzept. Die Städte und Regionen bedienen sich hierzu bei den Investitionen aus einer bewährten Kombination aus den Förderprogrammen der Länder (Mittel des Bundes und der EU eingeschlossen) ergänzt durch die kommunalen Eigenanteile sowie weiterer Haushaltsmittel, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren als „Ansparmodell“ geplant werden. Hinzu kommen direkte Einnahmen aus der Durchführung der Gartenschauen, ergänzt um Drittmittel von Sponsoren, Stiftungen usw.“
Das „realistische Finanzierungskonzept“ hat im Fall von Rostock dazu geführt, dass nun über die Absage oder Verlegung der BUGA 2025 gesprochen wird. Der Grund hierfür sind Kostensteigerungen und Verzögerungen beim Bau. Die BUGA Erfurt 2021 schloss mit einem Defizit von 3,9 Mio Euro ab. Die Stadt Erfurt fordert nun, dass das Land Thüringen - also der Steuerzahler - den negativen Saldo ausgleicht. Die immer wieder als Erfolg angepriesene Bundesgartenschau in Koblenz 2011 konnte nur durch unerwartet hohe Besucherzahlen ihre Kosten decken.
Insgesamt sind die Besucherzahlen der Bundesgartenschauen aber in den letzten 25 Jahren tendenziell rückläufig . Zudem schwanken die Besucherzahlen stark. Die Internationale Gartenschau in Berlin z.B. verfehlte mit etwas mehr als 1,5 Mio Besuchern deutlich ihre Prognose von 2,3 Mio Besuchern und endete mit einem Defizit von etwa 20 Mio Euro.
Fazit: Die vorliegende „Machbarkeitsstudie“ ist keine Grundlage für eine Entscheidung über dreistellige Millioneninvestitionen. Zu diffus sind die dort geäußerten Ideen, überhaupt nicht geplant die notwendige Infrastruktur. Dennoch war sie alleinige Grundlage für den Ratsbeschluss im November 2021, dass sich Wuppertal für die BUGA bewerben solle.
Die Deutsche Bundesgartenschau Gesellschaft, bei der sich die Stadt Wuppertal um die Durchführung der BUGA 2031 bewerben muss, ist eine GmbH. Ihre Gesellschafter sind der Zentralverband Gartenbau e.V. (ZVG), der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) und der Bund deutscher Baumschulen (BdB). „Als Wegbereiter für nachhaltige ökologische Entwicklungen bieten wir den unterschiedlichen Sparten des gärtnerischen Berufsstandes die Gelegenheit, sich im Rahmen einer Bundesgartenschau optimal zu präsentieren.“
Eine BUGA ist damit in erster Linie eine Leistungsschau im Freien. Die Bundesgartenschau Gesellschaft wiederum ist ein Monopolist. Sie allein vergibt die Lizenzen an die Kommunen zur Durchführung einer BUGA, sie gründet dann mit den Kommunen eine Durchführungsgesellschaft und organisiert und koordiniert danach alle praktischen Belange der BUGA. Wuppertal wird für Beratung und Lizenzgebühren mindestens 4,2 Mio Euro an die Bundesgartenschau Gesellschaft zahlen müssen. Weiterhin wird die Stadt Personalkosten tragen müssen: 12,475 Mio Euro. Und „Organisationskosten“: 18,565 Mio Euro. (Stadtökonomische Effekte einer BUGA in Wuppertal, S.19). Was sich hinter diesen Zahlen verbirgt, weiß niemand. Wie viele Personen sollen zu welchem Gehalt beschäftigt werden? Wer wählt diese Menschen aus? Was bedeutet „Organisation“?
Kein Business Plan. Keine Kriterien für die Personalauswahl. Aber ein hübsches Narrativ, vorgestellt von der Bundesgartenschau Gesellschaft: „Gartenschauen tragen die Leitideen von „Grün in der Stadt“. - Mit ihnen entstehen urbane Orte der Begegnung von Jung und Alt, Eingessenen und Zugewanderten ohne Ausgrenzung. Ihre qualifiziert und kreativ, aber auch häufig naturnah gestalteten Grünräume und Stadtbiotope dienen der Erholung, der Wissensvermittlung, dem Miteinander in Sport, Spiel und Freizeit. Sie dienen der Integration und übernehmen damit eine entscheidende Rolle zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“ Für die aufwändigsten Areale der BUGA im Bereich des Zoos und der Königshöhe trifft diese Aussage gar nicht zu. Zoo, Seilbahn und Hängebrücke werden auch in Zukunft kostenpflichtig sein müssen.
Warum macht die Bundesgartenschau Gesellschaft Integrations- und Bildungsaufgaben zu ihrem Unternehmensinhalt? Sie bietet sich damit offensiv als Projektpartner für Parteien des linken und grünen Spektrums an. Da sie eine GmbH ist, unterliegt sie aber keiner öffentlichen Kontrolle. Sie ist ein Lobbyist und ein Monopolist, sie hat für die von ihr angestrebte Rolle keine demokratische Legitimation. Ihr Ziel ist einzig, öffentliche Gelder durch die Zusammenarbeit mit den Kommunen zu erhalten und bietet den Parteien dafür eine rhetorische Rechtfertigung: Nachhaltigkeit. Bildungsaufgaben. Integration. Und natürlich Mitbestimmung: „Grundlage für sämtliche BUGA/IGA-Projekte in Städten und Regionen ist ein breit angelegtes Partizipationsverfahren. In Ideen- und Planungswerkstätten, Dialog- und Informationsformaten, Ortsterminen und Online-Plattformen werden im Vorfeld Informationen vermittelt, Ideen gesammelt, Positionen ausgetauscht und Konflikte zu Lösungen geführt. Sämtliche BUGA/IGA-Projekte greifen zu professionellen Methoden, um eine aufrichtige und zielführende Bürgerbeteiligung zu erreichen.“
In Wuppertal hat diese Partizipation nicht stattgefunden. Stadtdezernent Meyer bekannte sich auf der Informationsveranstaltung im Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium am 26.10.2021 auch offen dazu: „das ist hier keine basisdemokratische Veranstaltung“. Der offene Brief von Rainer Szesny „Wie aus Bürgern Feinde (gemacht) werden schildert die sonstigen Umstände sehr detailliert. Auch die aktuellen Anstrengungen, die Wuppertaler Bürgervereine für die BUGA zu gewinnen, kann man nicht als Beteiligung bezeichnen. Denn die zusätzlichen Ideen der Vereine für die BUGA werden nicht Teil der Bewerbung sein können, die unmittelbar nach dem Bürgerentscheid erfolgen soll. Letztlich gibt es im Rat der Stadt auch überhaupt keine Mehrheit gegen die Ideen aus der Machbarkeitsstudie. Man lässt die Bürgervereine in dem Glauben, dass die Ideen, die sie sammeln, auch Teil der BUGA werden könnten. Aber dafür gibt es weder ein geordnetes Planungsverfahren, noch politische Garantien, noch eine ausgearbeitete Finanzierung.
Die Selbstaussagen der Bundesgartenschau Gesellschaft treffen also für Wuppertal und andere Fälle nicht zu. Man kann diese wohlmeinend vielleicht als Marketing-Äußerungen betrachten, nicht als Fakten. Wenn aber diese ungeprüft als Begründung für eine BUGA in Wuppertal herangezogen werden, dann ist das Propaganda.
Am Bahnhof Vohwinkel soll der BUGA-Rundgang starten. copyright: Rainer Szesny
Der jüngst gegründete Förderverein Bundesgartenschau Wuppertal 2031 e.V. möchte in der Wuppertaler Bürgerschaft für die BUGA werben. Er gibt an, eine „ehrliche, offene und engagierte Bewegung für die Zukunft unserer Stadt“ zu sein. Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich prominente Wuppertaler Personen. In ihren Augen liegt die „Zukunft unserer Stadt“ in der BUGA. Eine multiperspektivische und ergebnisoffene Diskussion der Vor- und Nachteile führen sie nicht. „Die BUGA in Wuppertal ist ein sehr wertvolles Projekt einer gemeinwohlorientierten Gesellschafts- und Stadtentwicklung. Wir können es uns nicht leisten, die BUGA nicht zu wollen – denn nur wer heute etwas pflanzt[,] wird in Zukunft auch ernten können!“ Wertende Adjektive, ein emotionaler Appell und eine abgedroschene Phrase zusammen verkünden folgende Botschaft: die BUGA ist gut! Wer sie nicht will, ist unsozial, rückständig und unproduktiv.
Über die Arbeit des Büros Lenzen schreibt der Förderverein: „Richtig ist, die in der Machbarkeitsstudie vorgestellten Projekte haben professionelle Planer entwickelt, mit Know-how, das auf jahrelanger Erfahrung gründet.“ Das ist ein beliebter rhetorischer Trick, nicht den Inhalt einer Arbeit zu untersuchen, sondern deren Autor zu loben. Jede Kritik an der Sache wird damit in den Bereich des Persönlichen verschoben.
Unter der Rubrik „Medien“ bietet der Förderverein einen „Chancen-Flyer“ an, in dem die zehn wichtigsten Chancen, die sich für die Stadt mit der Ausrichtung einer BUGA aus seiner Sicht ergäben, aufgelistet werden. Ausdrücklich geht es hier nicht um „Argumente“ für die BUGA. „Chancen“ ist ein Begriff aus der „SWOT“ – Analyse, die in den 1950-er und 60er Jahren an der Universität Stanford entwickelt wurde. Diese analysiert die Stärken (strenghts), Schwächen (weaknesses), Chancen (chances) und Risiken (threats) in Bezug auf ein Unternehmen und leitet daraus strategische Handlungsempfehlungen ab. Das ist ein sehr bekanntes und breit angewandtes Instrument. Hier wird es reduziert auf eine einzige Perspektive: die positive Zukunft. Abgesehen von dieser unzulässigen methodischen Verkürzung ist die Liste der „Chancen“ ungeordnet, teilweise redundant oder aber schlicht falsch. Im Einzelnen:
Die genannten „Chancen“ wurden alle als Tatsachenbehauptung formuliert. Dadurch entsteht beim Leser der Eindruck, es handele sich um Gewissheiten. Die verwendeten Nomen sind positiv belegt, wie „Stärke, Gemeinschaft, Aufwind, Optimismus“ usw. Sprachlich ist das der Versuch, Menschen auf der emotionalen Ebene anzusprechen und eine sachliche Auseinandersetzung auszuschließen. Natürlich ist in einem Flyer die Verwendung von solch werbender Sprache legitim. Problematisch ist vielmehr, dass viele der getroffenen Aussagen einfach falsch sind. Hier beginnt die politische Beeinflussung durch Propaganda.
Denn die Gründungsmitglieder des Fördervereins Bundesgartenschau Wuppertal 2031 e.V. stehen ideell und teilweise auch personell der Stadtverwaltung oder der Partei der GRÜNEN sehr nahe. Oder aber sie stammen aus der Branche des Garten- und Landschaftsbaus. Sie bilden nicht die Mehrheit und auch nicht die Meinungsvielfalt der Wuppertaler Stadtgesellschaft ab. Durch ihre Scheinargumente und die Ausgrenzung von Kritik verhindern sie den notwendigen Dialog über die BUGA und riskieren eine Spaltung der Wuppertaler Gesellschaft.
Die politischen Parteien der SPD, CDU, der Grünen und der FDP haben die Aussagen aus der Machbarkeitsstudie und die Aussagen des Fördervereins übernommen. Eine eigenständige Position zur BUGA haben nur die LINKE sowie die Freien Wähler. Aufgrund dieser Situation entstand die Bürgerbewegung BUGA-SO-NICHT. Sie setzte durch, dass nun die gesamte Bürgerschaft bis zum 29. Mai über die Durchführung der BUGA entscheiden kann.
Übergabe der Unterschriften des Bürgerbegehrens am 21. Februar 2022 vor dem Rathaus in Barmen. copyright: Rainer Szesny
Ein bislang überhaupt nicht diskutierter Aspekt beim Abwägen der Argumente für und wider die BUGA 2031 ist die Frage, wie einzigartig diese sein kann. Kann Wuppertal mit seinen Möglichkeiten genug Besucher anlocken? Ein Blick auf kommende Gartenschauen in der unmittelbaren Nachbarschaft hilft, diese Frage zu beantworten.
Im Jahr 2027 wird die Internationale Gartenschau (IGA) Metropole Ruhr durchgeführt. Ihr Motto lautet: „Wie wollen wir morgen leben?“ Hauptschauplätze sind fünf sogenannte „Zukunftsgärten“ in Gelsenkirchen, Duisburg, Dortmund, Castrop-Rauxel / Recklinghausen und Bergkamen / Lünen. Angekündigt sind innovative Lösungsideen für das Leben in Metropolregionen. Dazu präsentieren sich die beteiligten Städte sowie Bürger und Vereine unter den Überschriften „Unsere Gärten“ und „Mein Garten“. Labelgeber ist die Deutsche Bundesgartenschaugesellschaft mbH.
Teil der dezentralen Ausstellung ist ebenso ein Radwegenetz, das die Zukunftsgärten miteinander verbindet, Lücken im bestehenden Radwegeverbund schließt und einzelne Streckenabschnitte verbreitert. In den nächsten Jahren sollen insgesamt 70 bis 80 Mio Euro aus der Nahmobilitätsförderung des Ministeriums für Verkehr des Landes NRW verbaut werden.
Die Wuppertaler BUGA soll nur vier Jahre später in wesentlich kleinerem Rahmen stattfinden. Das Thema „nachhaltiges Leben in der Stadt“ wird dann kein innovatives Gartenschauthema mehr sein. Die Nordbahntrasse ist dann ebenso wenig ein einzigartiger Radweg. Urban Gardening wird niemanden anlocken. Die Bundesgartenschau Gesellschaft hat dieselben Ideen, die für Wuppertal diskutiert werden, schon mehrfach für verschiedene Orte erfolgreich vermarktet. Auch die Seilbahn als Verkehrsmittel zwischen Gartenschaugeländen wird bereits in Mannheim im Jahr 2023 eingesetzt.
Wie viel andererseits mit gezielten Investitionen zu erreichen ist, veranschaulicht das Projekt des Regionalverbandes Ruhr „Zukunft und Heimat. Revierparks 2020“. Fünf Parkanlagen, mit jeweiligen Größen zwischen 30 und 45 Hektar, werden über das Förderprogramm „Grüne Infrastruktur NRW“ des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz mit insgesamt 28 Millionen Euro umgestaltet. Wegen veränderter klimatischer und gesellschaftlicher Anforderungen werden diese Anlagen ökologisch aufgewertet, d.h. angepasste Gehölze und Sträucher sowie Bienenweiden und Wildblumenwiesen werden gepflanzt. Hinzu kommt ein barrierefreier Ausbau der Spielplätze und Sportanlagen. Die Finanzierung stammt vom Förderprogramm „Grüne Infrastruktur NRW“ (GI) vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW.
Diese Mittel hätten bei entsprechender konzeptioneller Vorarbeit auch nach Wuppertal fließen können. Das Argument, dass eine BUGA Fördermittel geradezu „mobilisiere“ und in die Stadt „fließen lasse“, ist ein Scheinargument. Das letzte Beispiel zeigt, dass es vor allem auf eine stimmige Konzeption und Planung ankommt, um Projektfinanzierung vom Land oder der Europäischen Union zu erhalten. Diese Vorarbeit ist in Wuppertal nicht geleistet worden.
Wegen der zeitlichen und räumlichen Nähe zur IGA Metropole Ruhr 2027 wird Wuppertal mit einer eigenständigen Bundesgartenschau sehr wahrscheinlich nichts anbieten können, was interessierte Besucher nicht kurz vorher schon gesehen haben. Das einzige Alleinstellungsmerkmal für eine BUGA in Wuppertal wäre bislang die Hängebrücke, gleichzeitig das umstrittenste Projekt aus der Machbarkeitsstudie.
Der ökonomische Erfolg einer BUGA im Jahr 2031 ist wegen der bislang nur oberflächlichen und lückenhaften Planung und auch wegen des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen, derzeit nicht bekannten ökonomischen und politischen Folgen seriös kaum einzuschätzen.
Wuppertal ist schon heute eine grüne Großstadt. Der Ausbau des Radwegenetzes, die Pflege der vorhandenen Grünflächen, die Umsetzung von Bürgerprojekten und die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in den Wohnvierteln sind alles Anliegen, die auch ohne eine BUGA verwirklicht werden können. Die Entscheidung für oder gegen die BUGA ist keine Entscheidung über die Zukunft dieser Stadt, sondern eine Entscheidung darüber, ob Lobbygruppen bei der Stadtentwicklung bevorzugt werden sollen.
Daher ist es richtig, dass die Bürgerschaft über die Durchführung abstimmen kann. Denn die Mehrheit im Rat der Stadt hat sich nicht mit der problematischen Seite einer Bundesgartenschau befasst und daher muss ihre Entscheidung demokratisch überprüft werden. Genau für solche Fälle ist das Instrument des Bürgerentscheides verfassungsrechtlich garantiert.