Welche Probleme hat die Schwebebahn?

7. Oktober 2020, Dr. Christine Leithäuser


Bald nachdem die neue Wagengeneration auf die Schiene gebracht wurde, stellte der Betreiber erhebliche Mängel fest. Aktuell am schlimmsten sind die Kaltverformung der Räder sowie Beschädigungen an der Schiene. Insgesamt betrachtet, stellen sich aber der gesamte Neubau des Gerüstes und der Wechsel auf eine technisch andere Wagenkonstruktion als problematisch heraus. Die WSW mobil GmbH sehen sich dafür nicht in der Verantwortung. Stimmt das?


Es rattert und knirscht

Sonntag, 6. September. Die Schwebebahn fährt langsam in die Station ein, beobachtet von einem Mann mit Fernglas. Und die nächste. Und die nächste. Die Fahrer scheinen zu wissen, warum er da steht. Denn drinnen versteht man die Ansagen nicht mehr, Schläge und lautes Rattern übertönen die normalen Fahrgeräusche. Die Deckenverkleidung vibriert. Keine Unterhaltung möglich.

Eine knappe Woche vorher, am 1. September, mussten der WSW-Vorstand, Markus Hilkenbach, und der Geschäftsführer der WSW mobil GmbH, Ulrich Jaeger, öffentlich erklären, warum sie die Schwebebahn an Wochentagen stilllegen, aber am Wochenende fahren lassen. Für ein Jahr. Sie zeigen eine umfangreiche Präsentation der Schadensserie an den Wagen vom Typ GTW 14, schweigen aber zu den Gründen. Auf die deformierten Räder angesprochen, die das laute Rattern bei der Fahrt verursachen, behauptet Ulrich Jaeger vor dem Finanz- und Beteiligungsausschuss, diese zeigten einen atypischen Schaden. Er sei erst nach Ostern 2020 aufgetreten. Neun externe Gutachter wurden bestellt, diesen zu untersuchen.

Ein unvorhersehbarer Einzelfall also? Seit dem Eisenbahnunglück von Eschede gibt es umfangreiche Forschungen zum Rad-Schiene-System bei Bahnen. Die Erkenntnisse sind öffentlich zugänglich. Auf Fotografien der beschädigten Räder und der Fahrschiene sind eine plastische Verformung sowie Gewaltbrüche im Radprofil zu erkennen. Laut der einschlägigen Forschung sind dies typische Schäden, die durch Schubkräfte beim Abrollen auf der Schienenkante entstehen. Zu schnelles Fahren, zu heftiges Bremsen und zu starkes Auspendeln erhöhen die Last auf das Material. Das können Ursachen sein. Oder aber das Schienenprofil passt nicht zum Radprofil. Wirklich gefährlich aber ist dies: Wenn das Rad auf der Schienenkante und nicht auf der Schienenlauffläche rollt, wie bei den vorliegenden Bildern ersichtlich, wird der Spurkranz beschädigt. Es kommt dabei typischerweise zu einer umlaufenden Rissbildung, schlimmstenfalls zum Abriss des Radkranzes und zur Entgleisung der Bahn.

Die Verformung der Räder und die Beschädigung der Schiene, inklusive eines Schienenbruchs, beobachtet die WSW mobil GmbH seit Ostern 2020. Da die Räder schneller wieder kaputt sind, als sie repariert werden können, wird der Stillstand an Werktagen beschlossen. Man sollte meinen, dass für den Wochenendbetrieb nur unbeschädigte Räder zum Einsatz kommen. Am 6. September war dies jedenfalls nicht so. Der Mann mit dem Fernglas konnte die verformten Räder bei der Mehrzahl der eingesetzten Bahnen gut erkennen. Und das Rattern bei der Fahrt spüren. Die vibrierende Deckenverkleidung sehen. Es ist ihm nicht wohl dabei. Am 7.09.2020 erstattet er Anzeige wegen Gefährdung des Bahnverkehrs nach § 315a StGB bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal. Auf wiederholte Presseanfragen in der Woche vom 7. bis 11. September erklärt diese, ihr läge keine Anzeige vor. Am 13. September sind Kommunalwahlen. Am 14. September wird der Eingang bestätigt.


Das ist nicht das erste Mal

Abgesehen von dem aktuellen Rad-Schiene-Problem kam es bereits drei Mal zu gefährlichen Situationen mit den neuen Wagen, bzw. mit dem neuen Gerüst. Im Oktober 2013 wurden durch eine abgestürzte Stromschiene auf der B7 mehrere Autos beschädigt und mehrere Menschen verletzt. Im Mai 2017 kollidierte ein neuer GTW 14 Wagen mit dem Traggerüst, so dass ein rund 10 Kilogramm schwerer Bremszylinder von einem der Antriebsdrehgestelle abriss und auf das Dach des Wagens fiel. Im Oktober 2018 stürzte wieder eine Stromschiene vom Gerüst ab und verfehlte nur knapp den Fahrer eines an der Ampel wartenden Autos.

Beim zweiten Fall ermittelte die Bezirksregierung Düsseldorf als Aufsichtsbehörde und erließ mehrere Anordnungen an die WSW mobil GmbH. In dem Bescheid vom 8. August 2018 heißt es wörtlich:

"Am 19.05.2017 um 17:15 Uhr ist es in Ihrem Streckennetz zu einem Schadensereignis mit dem Fahrzeug Nr. 1410 gekommen, bei dem das Bremszylindergehäuse des ersten Drehgestells und der Achslagerdeckel des vierten Drehgestells Kontakt zur Tragkonstruktion hatten und dabei vom Fahrzeug abgerissen bzw. beschädigt wurden. Zu einem Personenschaden kam es nicht. [...] Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen gehe ich nicht davon aus, dass die Fahrzeuge im vorliegenden Konstruktionszustand hinsichtlich der Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h sicher in Ihrem Schienennetz betrieben werden können. Des Weiteren gehe ich auch nicht davon aus, dass der schwerwiegende konstruktiv bedingte Mangel in naher Zukunft behoben werden kann. […] Dies erlaubt mir jedoch nicht, eine Fahrzeuginbetriebnahme mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h auszusprechen, da sich aus den jüngst eingereichten Unterlagen ein neues Zulassungshindernis ergibt. Sie haben ohne Absprache mit mir nachträglich ein Bauteil am Notfang angebracht,[...] das [...] im rechnerischen Nachweis für 40 km/h über das Lichtraumprofil hinaus geht und daher eine Kollision mit dem Gerüst möglich ist. Die weiteren getroffenen Aussagen, dass eine mögliche Kollision mit dem Gerüst in der Praxis ausgeschlossen ist, stützen sich auf die Ergebnisse von Versuchsfahrten. Nach Aktenlage wurden diese Versuchsfahren jedoch vor Anbringung des Bauteils durchgeführt, sodass bezweifelt werden muss, dass tatsächlich eine Kollision ausgeschlossen werden kann. Damit ist bei Beibehaltung der bereits reduzierten bisherigen Geschwindigkeit von 40 km/h von einer Gefährdung der Öffentlichkeit auszugehen. Diese Veränderungen führen nämlich nicht allein dazu, dass die bisherige Zulassung des Fahrzeugs gegenstandslos ist, sondern sie können jederzeit dazu führen, dass Personen und Sachwerte erheblich geschädigt werden können. Es kann nämlich bei einer Kollision von über das Profil hinausragenden Fahrzeugteilen mit dem Traggerüst der Schwebebahn dazu kommen, dass Bauteile oder Teilstücke abreißen und herunter fallen. Aufgrund der gegebenen erheblichen Fallhöhe können bereits kleine Teile zu schweren Personen- oder Sachschäden führen. Die Minderung der bisher zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 40 auf 30 km/h reduziert die Fahrzeugpendelbewegungen dermaßen, dass die zu befürchtenden Abrisse so gut wie ausgeschlossen werden.“

Dieser Bescheid galt bis zum 28. August 2018, danach wurde wieder eine Höchstgeschwindigkeit von 40 kmh erlaubt.

Der dritte Fall, der Absturz eines 260 Meter langen Stücks der Stromschiene im November 2018, führte dann zur Stilllegung der Schwebebahn bis August 2019. Die WSW mobil GmbH erklärt dazu, es habe sich um eine unvorhersehbare Kettenreaktion gehandelt. "Bereits vor der Durchfahrt des ersten Fahrzeugs waren in der Kurve vor der Unglücksstelle zwei Klemmbacken, die Halterungen der Stromschiene, defekt. Die Stromschiene veränderte dadurch ihre Lage. In Folge dessen wurden zwei weitere Klemmbacken beschädigt und der Stromabnehmer des ersten Fahrzeugs wurde abgerissen. Aufgrund dessen hing die Stromschiene durch. Nach der Durchfahrt des folgenden Fahrzeugs waren mindestens acht Klemmbacken defekt, was letztlich zum Abriss der Stromschiene führte. Die Kettenreaktion wurde negativ verstärkt von einem Fehler, der beim Einbau der Stromschiene 2001 gemacht wurde. Entgegen der Vorgaben wurde damals vom externen Auftragnehmer die Stromschiene in der betroffenen Kurve nicht vor der Montage vorgebogen, sondern unter Spannung verbaut. Als Konsequenz hat die Technische Aufsichtsbehörde (TAB) zusätzliche konstruktive Sicherungsmaßnahmen an der Stromschiene wie auch am Fahrzeug eingefordert. Auf der gesamten Strecke sollten rund 18.000 Klemmbacken erneuert und mit Sicherungsblechen verstärkt werden. Ergänzend wurden rund 2500 zusätzliche Sicherungen für das Festhalten der Stromschiene geplant, die etwa alle zehn Meter installiert werden, um einen neuerlichen Absturz mit Sicherheit zu verhindern." Zur Frage der Gefährdung von Personen äußerte sich Oberstaatsanwalt Baumert in einer Presseerklärung vom 28.03.2019, nachdem er die Ermittlungen eingestellt hatte:

"Am 18.11.2018 gegen 13.55 Uhr hatte sich im Bereich des Sonnborner Ufers/Siegfriedstraße in Wuppertal ein Teil einer am Gerüst der Schwebebahn montierten Stromschiene gelöst und war auf einen auf der Brücke Siegfriedstraße in Wuppertal haltenden PKW gestürzt. Der Fahrer des Cabriolets entging seinerzeit nur knapp schweren Verletzungen, da die Schiene auf das Heck des Fahrzeuges fiel und ihn verfehlte.[...] Unfallursächlich war ein zuvor nicht erkennbarer Materialverschleiß an zwei hintereinander montierten Klemmbacken der Stromschienenhalterung. Der Bruch dieser Klemmbacken führte im Laufe der Zeit zu weiteren Schäden an den Halterungen der Stromschiene und letztendlich zu deren Absturz. Seitens der Stadtwerke war 80 Minuten vor dem Absturz durch die Meldung eines Fahrers einer Schwebebahn bekannt geworden, dass ein Teil der Stromschiene durchhing. Da sich die Schadensstelle über der Wupper befand und Sollbruchstellen vorhanden waren, musste seinerzeit lediglich mit der Gefahr eines Absturzes in das Flussbett gerechnet werden. Lediglich durch einen unglücklichen und nicht vorhersehbaren Zufall kam es zu dem Absturz der Stromschiene auch im Bereich der Brücke Siegfriedstraße. Im Ergebnis ist damit weder bezüglich des Absturzes der Stromschiene noch wegen der unterbliebenen Sperrung der Brücke der Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens zu erheben.“

Im zweiten Fall drängt sich die Frage auf, warum keine strafrechtlichen Ermittlungen aufgenommen wurden, obwohl die Aufsichtsbehörde so klar die Gefährdung benennt. Im dritten Fall bleibt es unverständlich, warum die strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt wurden. Dass die Brücke Siegfriedstraße nicht gesperrt wurde, während die Arbeiter der WSW noch unterwegs waren, um die durchhängende Stromschiene zu sichern, hätte fast ein Menschenleben gekostet. Und immerhin lag ja der erste Fall, ein ganz ähnlicher Unfall erst fünf Jahre zurück. Eine 600 -Volt-Stromschiene hatte sich am 17. Oktober 2013 auf einer Länge von 260 Metern gelöst und war auf die Bundesstraße gefallen. Zwei Personen wurden leicht verletzt. 76 Passagiere mussten fast drei Stunden zwölf Meter über der Wupper ausharren und per Drehleiter gerettet werden. Damals stand die Schwebebahn nur etwa zwei Wochen lang still. An den Stromabnehmern der Fahrzeuge wurden nachträglich sogenannte Sollbruchstellen eingefügt, damit diese nicht wieder die Schiene herunter reißen könnten, was laut WSW die Ursache des Unglücks war. Aber die nachträglichen, sehr umfangreichen Sicherungsmaßnahmen nach dem Unfall im Jahr 2018 und 2019, nachdem ein 350 Meter langes Stück der Stromschiene herab gestürzt war, lassen die Vermutung zu, dass die Befestigung der Stromschiene am neuen Gerüst prinzipiell konstruktiv fehlerhaft war. Sonst hätte man kaum die gesamte Strecke überarbeitet. Geschätzte Mehrkosten im Jahr 2018/19: 2,3 Mio Euro.


Alles neu. Alles teurer als gedacht

Von 1995 bis 2014 wurden das Gerüst sowie alle Bahnhöfe nach und nach neu aufgebaut. Nach neunzehn Jahren Bauzeit waren rund 650 Mio Euro ausgegeben. 31 neue Wagen für 122 Mio Euro und neue Leittechnik kamen bis 2019 hinzu. Das war viel mehr als anfänglich geplant. Angeblich konnte man das zu Projektbeginn nicht wissen.

Aber schon im Jahr 1997 wurde aus der Bürgerschaft Widerspruch laut. Die Bürgerinitiative „Rettet die Schwebebahn e.V.“ verteilte am 3.Februar 1997 im Ratssaal an alle anwesenden Ratsmitglieder einen Appell zum Erhalt der alten Schwebebahn. Am 23. Mai 1997 folgte ein weiteres, sehr umfangreiches Dokument. Kern der Kritik waren damals die Kosten des Umbaus und der Austausch des Gerüstes. Denn noch 1991 hatte die Wuppertaler Stadtwerke AG in ihrer Publikation „Die Wuppertaler Schwebebahn – Geschichte – Technik – Kultur“ sich damit gebrüstet, dass das Schwebebahngerüst ohne weiteres „weitere 75 Jahre halten kann“. Die Bürgerinitiative fragte daher nach, warum diese Aussage nur sechs Jahre später keine Gültigkeit mehr hätte. Immerhin wurden in den Jahren 1979 bis 1984 umfangreiche Arbeiten am Gerüst durchgeführt. Dessen höhere Belastung durch die Wagen des Typs GTW72, die mit 1,1 m/s² Beschleunigung und 1,2 m/s² Verzögerung fahren konnten, musste statisch abgeleitet werden. Daher wurden alle Brückenköpfe und -lager im gesamten Streckenverlauf ausgetauscht. Kosten: 36,8 Mio DM.

Die Planung für den Abriss und Neuaufbau von Gerüst und Schwebebahnstationen waren zu diesem Zeitpunkt aber bereits sehr weit gediehen. Der Wunsch nach einer schnelleren Bahn, kürzeren Fahrzeiten, mehr Wagen und kürzeren Wartezeiten waren die Gründe für den kompletten Abriss eines funktionierenden Systems.

Im Jahr 1995 war die finanzielle Förderung dieser Arbeiten durch das Land NRW bewilligt worden. 90% der ursprünglich geplanten Gesamtkosten von 440,6 Mio DM sollten aus Landesmitteln beglichen werden. Der Rat stoppte das Projekt trotz der Kritik nicht. Mit der Drucksache 3700/97 beschloss er neben dem sogenannten Ausbau zusätzlich drei Stationen „nach historischem Vorbild“ neu zu bauen sowie die Eintragung der Schwebebahn als Denkmal vorzunehmen. Für den denkmalgerechten Nachbau konnten aber keine Landesmitel in Anspruch genommen werden, da diese ausschließlich für die Verbesserung des Nahverkehrs bewilligt waren. Hinzu kamen erhebliche Planungsfehler: nötig wurden eine statische Nachberechnung, längere Bauzeiten und höherer Stahlverbrauch für das Gerüst. Daher erhielt eine der mit dem Ausbau beauftragten Firmen von den Wuppertaler Stadtwerken im Zuge eines Vergleiches im Jahr 2000 zusätzlich 60 Mio DM.

Der anfängliche Kostenrahmen konnte also nicht eingehalten werden. Die Stadt Wuppertal stellte daher im Jahr 2001 einen Änderungsantrag ans Land. Zu dem Zeitpunkt wurden für den Ausbau schon 841,6 Mio DM, bzw. 430,3 Mio Euro veranschlagt. Im Jahr 2003 rügte der Landesrechnungshof die Verdoppelung der Kosten und sah die Stadtwerke und den Rat der Stadt dafür in der Verantwortung. Hinzu kam, dass die zuständige Aufsichtsbehörde, die Bezirksregierung Düsseldorf, im Jahr 2004 15,8 Mio Euro an bereits ausgezahlten Fördermitteln zurück forderte und einen Zuwendungsbescheid von 120 Mio Euro nicht anwies. Ebenso wurde die Förderung der Schwebebahn im Ausschuss für Haushaltskontrolle des Landtages insgesamt kritisch hinterfragt. Peter Müller vom Referat „Förderung von ÖPNV-Investitionen“ des Landesverkehrsministeriums erklärte dem Ausschuss damals, der Schwebebahnausbau sei förderfähig gewesen, da durch diesen eine Verbesserung der öffentlichen Nahverkehrs-Infrastruktur erreicht werde „durch eine Beschleunigung der Zugfolge“.

Die Stadtwerke stoppten dann wegen fehlender finanzieller Mittel das Bauvorhaben Ende 2003 bis 2006. Im Jahr 2007 wurde öffentlich, dass das Land NRW die Kosten für den denkmalgerechten Ausbau der Stationen Werther Brücke, Landgericht, Völklinger Straße und für die Wagenhalle in Oberbarmen nicht fördern würde. Die WSW, vertreten von Andreas Feicht, erklärten am 8. August 2007 im Wirtschaftsausschuss der Stadt, dass diese Stationen daher nur „historisierend“ aufgebaut würden und die Schwebebahn spätestens im Jahr 2011 von der Denkmalliste gestrichen werde. Von 2007 bis 2014 wurden dann sukzessive die restlichen Stationen und dazugehörigen Gerüstabschnitte ausgetauscht. Wohl wegen der finanziellen Belastung der WSW durch das umfangreiche Projekt hat die Stadt das Gerüst und alle Stationen 2014 für 130 Millionen Euro aufgekauft. Zu diesem Zweck hat die Stadt Wuppertal einen langfristigen Kredit aufgenommen zu Konditionen, die die WSW nicht hätten bekommen können. Die Kaufsumme ergibt sich laut WZ vom 6.August 2020 daraus, dass die Zuschüsse zur Sanierung und die bereits getätigten Abschreibungen von der Investitionssumme von 650 Mio Euro abgezogen werden. Stadtkämmerer Johannes Slawig und der damalige WSW-Chef Andreas Feicht legten den Kaufpreis daher auf 130 Millionen Euro fest.


Mit 60 in die Kurve geht nicht

Alle Veränderungen hatten zum Ziel, die Taktung der Fahrten zu erhöhen. Im Jahr 2011 unterzeichneten die WSW und Vossloh Kiepe den Vertrag über den Bau der neuen Wagen des Typs GTW14. Deren Auslieferung begann 2015 und endete erst 2019 wegen technischer Schwierigkeiten. In dem Direktvergabevertrag der Stadt Wuppertal an die WSW mobil GmbH als Anbieter des öffentlichen Nahverkehrs aus dem Jahr 2017 liest man unter „Anforderungen zur Leistungserbringung“, dass der neue Fahrzeugpark bis voraussichtlich Ende 2017 auf 31 Fahrzeuge ausgeweitet sein werde und diese in der Hauptverkehrszeit im 2 Minuten Takt fahren. Im Gegensatz zu den alten GTW72 sollen die neuen Triebwagen zügig mit 1,3 m/s² auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h beschleunigen, dieses Tempo zwischen den Stationen halten und damit die Strecke Vohwinkel–Oberbarmen in 25 statt wie bisher in 30 Minuten bewältigen.

Heute, im Jahr 2020, sind diese Ziele nicht erreicht. Nach der Kollision des GTW14_10 mit dem Gerüst im Mai 2017 hat die Überwachungsbehörde angeordnet, das Fahrtempo auf 40 kmh, zeitweilig sogar auf 30 kmh zu drosseln. Beabsichtigt war ursprünglich, mit 60 kmh auch in den Kurven zu fahren. Nach dem Absturz der Stromschiene im November 2018 wurde der Bahnbetrieb bis August 2019 eingestellt. Ab den 12. August 2020 bis weit ins Jahr 2021 reicht die aktuelle Stilllegung, diesmal wegen der beschädigten Radprofile. Es stellt sich wiederum die Frage, ob diese Vorkommnisse vorhersehbar waren oder nicht.

Die verkürzte Taktung war nie zu erreichen. Das wusste die WSW mobil Gmbh spätestens seit dem Jahr 2003. Damals erschien die Dissertation „Die Pendelbewegung von Einschienen-Hängebahnen am Beispiel der Wuppertaler Schwebebahn“ von Andreas Singer, Fachbereich Maschinenbau der Universität Hannover. Aus dieser Arbeit ergibt sich, dass der geplante Fahrbetrieb auch mit den Fahrzeugen der neuen Generation nicht verwirklicht werden kann. Je schneller die Bahn fährt, umso stärker pendeln die Wagen aus. Mehr als 15 Grad Neigung sind nicht möglich, da die Wagen sonst mit dem Gerüst kollidieren. "Primäre Maßnahmen gegen das Pendeln sind [...] sinnvoll, denn sonst treten an kritischen Streckenpunkten regelmäßig große Pendelamplituden auf [...] Da jedoch der fahrdynamische Verlauf der Fahrt die Haupteinflussgröße ist, muss einer pendelgünstigen Regelung des Geschwindigkeitsprofils [...] der deutlich größere Wert zugemessen werden [...] Sie hat allerdings Fahrzeitverlängerungen zur Folge, denn in den allermeisten Fällen wird eine Reduzierung der Geschwindigkeit das Mittel der Wahl sein." (S. 128) Bei Geschwindigkeiten über 50 kmh wird das weitere Auspendeln bereits durch eingebaute Pendelbegrenzer unterbunden. Da Herr Singer zusammen mit den Mitarbeitern der WSW mobil GmbH die Messfahrten durchgeführt hat, die er als Grundlage seiner Berechnungen durchführen musste, sind die Ergebnisse seiner Arbeit sicherlich beim Betreiber und beim Aufsichtsrat bekannt. Dennoch hat die WSW mobil GmbH weiterhin der Stadt Wuppertal gegenüber behauptet, die verkürzte Fahrzeit von 25 Minuten von Oberbarmen bis Vohwinkel sei realisierbar und hat auf dieser Grundlage die neuen Schwebebahnwagen, eben die GTW14 Nr. 1-31, im Jahr 2011 bei Vossloh Kiepe bestellt und den Direktvergabevertrag mit der Stadt geschlossen.

Möglicherweise hat der Betrieb der neuen Wagen mit zu hohen Geschwindigkeiten sogar von Anfang an Schiene und Räder beschädigt. Denn eine ungewöhnliche Geräuschentwicklung war bereits lange vor Ostern 2020 zu bemerken. Es gibt einen Mann, an dessen Fenster die Schwebebahn vorbei fährt. Er sagt, schon mit den ersten neuen Wagen waren laute Schläge zu hören. Und er hat dieses Phänomen digital aufgezeichnet. Vielleicht liegt hier der Ansatz der Erklärung, warum GTW14_10 mit dem ersten und vierten Drehgestell im oberen Bereich mit dem Traggerüst kollidiert ist.


Schluss mit Lustig

Spätestens jetzt weiß man nicht mehr, ob man toben oder weinen soll. Entgegen aller Warnungen und vorheriger Untersuchungen wurden das alte Gerüst und die Bahnhöfe demontiert sowie die bewährte Konstruktionsweise der Waggons verworfen. Die Fördergelder beantragt und gewährt, ohne dass eine Fahrzeitverkürzung realisierbar ist. Ein finanzielles Desaster aufgrund unzureichender Planungen, längerer Bauzeiten und größeren Materialbedarfs. Die neuen Wagen sind fehlerhaft. Das Gerüst ist mehrfach beschädigt. Menschen wurden in Gefahr gebracht. Stillstand der Bahn und ungewisse Zukunft. 25 Jahre Bauzeit und etwa 800 Mio Euro später steht die Erkenntnis: das alte System war besser.

Es wäre angesichts dieser Geschichte der Geldverschwendung und der Gefährdung von Personen nicht zuviel verlangt, wenn sich ein unabhängiger Untersuchungsausschuss, angesiedelt bei der Aufsichtsbehörde, damit beschäftigte, wer dafür die Verantwortung zu tragen hat.


Abbildung 1
Die Fotografien stammen von der WSW und zeigen die Schäden an den Schwebebahnrädern. Sie wurden in der Sitzung des Finanz- und Beteiligungsausschusses gezeigt und im Rats-TV übertragen. Ergänzt wurden die Pfeile und erläuternden Texte.
Textquelle 1
Der Bescheid der Aufsichtsbehörde vom August 2018 formuliert grundlegende Sicherheitsbedenken für einen Betrieb der Schwebebahn mit 60 kmh. Er nennt Details zur Kollision des Waggons GTW1410 mit dem Gerüst.
Textquelle 2
Die Dissertation stellt dar, wie schnell die Schwebebahn in den Kurven fahren kann, ohne zu stark zu pendeln. Kurvengeschwindigkeiten von 60 kmh sind danach ausgeschlossen.
Abbildung2
Die Abbildung und der Text erklären, wie die Schwebebahnwagen aufgehängt sind und welche Funktion die Pendelbegrenzer haben. Auszug aus der Dissertation von Andreas Singer, S. 4.