11. Dezember 2020, Dr. Christine Leithäuser
Die Staatsanwaltschaft prüft Vorwürfe gegen den Kämmerer Dr. Slawig, den Antikorruptionsbeauftragten der Stadt, Herrn Theodor, und gegen die Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Frau Schmidt. Der Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Wölfges und der Barmenia-Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Beutelmann verweigern die Aussage.
Im Zusammenhang mit dem sogenannten ASS-Geschäft sind mehrere Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal eingegangen. Oberstaatsanwalt Wolf Tilman Baumert bestätigte auf Nachfrage, es werde „geprüft, ob ein Anfangsverdacht für etwaig begangene Straftaten“ vorliege. Es ist in der Tat angebracht, interne Abläufe bei der Stadtverwaltung Wuppertal mindestens zu prüfen. Die Beobachter im Prozess gegen Panagiotis Paschalis staunen schon seit dem ersten Prozesstag über die schrittweise offengelegten Zusammenhänge einer zweifelhaften wirtschaftlichen Betätigung des Straßenverkehrsamtes, der Kämmerei und der Wuppertal Marketing GmbH. Dieses Amtsgerichtsverfahren, das eigentlich wegen übler Nachrede in zwei Fällen geführt wird, wird immer mehr zum Instrument der Aufklärung einer Cliquenwirtschaft.
Erschwert wird diese Aufklärung durch so manchen Trick der Stadtverwaltung. Im Zuge der Amtshilfe von der Richterin erbetene Akten sind angeblich nicht aufzufinden. Die neue städtische Ansprechpartnerin im Personalamt (warum eigentlich nicht im Rechtsamt?) kennt sich im Sachverhalt angeblich nicht aus. Zeugen verweigern reihenweise die Aussage, für andere Zeugen teilt die Stadtverwaltung die Kontaktdaten nicht mit. Ladungen treffen vorgeblich erst nach zwei Wochen ein. Akten, die zur Verfügung gestellt wurden, sind nicht paginiert. Erinnerungslücken bei den engsten Mitarbeitern des ehemaligen Oberbürgermeisters werden immer größer. „Wenn‘s noch ein paar Grad wärmer hier wird, dann sind wir in Palermo“, kommentiert Strafverteidiger Wilhelm lakonisch diese Anhäufung von Hindernissen.
Natürlich ist es rechtens, nach § 55 der Strafprozessordnung, die Antwort auf Fragen zu verweigern, wenn man sich dadurch selbst belasten würde. Aber logischerweise bedeutet die Entbindung von der Aussagepflicht, dass die Richterin ebenfalls davon ausgeht, dass der Zeuge möglicherweise strafwürdige Handlungen begangen hat. Aber staunen kann man schon über die inzwischen sehr lange Liste der stummen Zeugen:
Bekannt und unstrittig ist seit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm, das die Firma ASS zu Schadensersatz gegen die Stadt Wuppertal verurteilte, dass durch diese Geschäftsbeziehung ein materieller Schaden für die Stadt Wuppertal entstanden ist. Also hatte Herr Paschalis Recht, als er als Dezernent forderte, diese zu beenden. Und für die Bürger der Stadt Wuppertal wäre es besser gewesen, es hätte sie niemals gegeben. Abgesehen von der vom OLG Hamm bestätigten Schadenssumme, von der wegen Verjährung nur ein Drittel des Gesamtschadens von 669 613,95 Euro realisiert werden konnte, hat die Stadt noch mehr Geld verloren. So hat die Wuppertal Marketing GmbH der Stadt für die Abwicklung des vorgeblichen Werbegeschäftes mit der ASS eine „Handling-Gebühr“ in Rechnung gestellt: 25 652,47 Euro waren das.
Und selbst ohne die entgangene Werbeleistung war das „Geschäft“ von vornherein unwirtschaftlich. Es ergibt sich ein Fehlbetrag von 4,10 Euro pro zugelassenem Fahrzeug aus dem ASS Fuhrpark aus der Gegenüberstellung der reduzierten Gebühren, die die ASS zahlte, mit den Personal- und Sachkosten, die jede einzelne Zulassung erforderte. Diese Berechnung gründet sich auf die stellenscharfe Kostenrechnung des damaligen Leiters des Straßenverkehrsamtes Wuppertal, Herrn Siegfried, und der unabhängigen Gemeindlichen Prüfanstalt. Hiermit lässt sich der Vorwurf des treuwidrigen Handelns des Kämmerers Dr. Slawig ebenfalls begründen. Ihm mussten diese Zahlen bekannt sein und er hätte niemals auf diesem „Geschäft“ beharren dürfen.
Wie er als Kämmerer darüber hinaus die eingehenden und ausgehenden Gelder intern behandelte, ist der Gegenstand eines weiteren schwerwiegenden Vorwurfs. Wenn die Gebühren, die durch die Anmeldung der ASS-Leasingfahrzeuge auf ein Stadtkonto flossen, jahrelang erst nachträglich in den Haushalt gebucht wurden, wie man aus Aktennotizen schließen kann, dann hätte der Kämmerer Slawig den Rat getäuscht und § 82 der GO NRW umgangen. Außerordentlich interessant ist es also zu erfahren, wie die Gelder verbucht wurden und ob sie Teil des Haushaltsansatzes waren. Auch dazu sollte Herr Slawig befragt werden. Aber er schweigt. Glücklicherweise gibt es Datenbanken. Die Stadt nutzt das System SAP. Vielleicht findet sich ja ein unabhängiger Mitarbeiter, der die entsprechenden Abfragen durchführt. Das wäre für den Fortgang des Prozesses hilfreich. Papier kann man verschwinden lassen. Mit den Sicherungskopien von Datensätzen hingegen lässt sich auch im Nachhinein die Haushaltsplanung noch rekonstruieren.
Heute ist der 11. Dezember 2020. Für einige der Vorwürfe droht eine Verjährung mit Ablauf des Jahres. Es ist nicht weit hergeholt zu vermuten, dass die reihenweise Aussageverweigerung, die schleppende Übermittlung angeforderter Akten, das schlechte Erinnerungsvermögen, die mangelnde Erreichbarkeit von Zeugen und das – mit Verlaub- gemütliche Vorgehen der Staatsanwaltschaft und des neuen Oberbürgermeisters im schlimmsten Fall dazu führen, dass kriminelles Handeln in der Stadt ohne Konsequenzen bleibt. Alles wie immer also. Omertà.