Gerichtliche Aufarbeitung des ASS-Skandals

4. November 2020, Dr. Christine Leithäuser


Der ehemalige Rechtsdezernent Paschalis hatte sich gegen die Stadtverwaltung und den ehemaligen Bürgermeister gestellt und wurde vom Rat der Stadt abgewählt. Jetzt sieht man sich vor Gericht wieder.


Der erste Prozesstag

Vor dem Amtsgericht wird am 27.10.2020 der erste Zeuge befragt. Ex-Oberbürgermeister Andreas Mucke. Ungeschminkte persönliche Äußerungen des ehemaligen Wahlbeamten enthüllen seine Dienstauffassung. Zitat: „Der Laden muss nur laufen, wie die das machen, ist mir egal.“

Zur Erinnerung: Herr Paschalis hatte die langjährige Praxis im Wuppertaler Straßenverkehrsamt, Autos für die Leasing-Firma ASS aus Bochum zuzulassen, ohne örtlich zuständig zu sein, beendet. Er hatte auch kritisiert, dass die Firma ASS ohne ordentliche Ausschreibung und seit 2006 ohne ordentlichen Vertrag Werbeaufkleber der Stadt Wuppertal auf diesen Autos hätte anbringen sollen und dafür vierteljährlich über die Wuppertal Marketing GmbH mit rund 10 Euro pro Aufkleber entlohnt wurde. Kürzlich wurde vor dem OLG Hamm festgestellt, dass diese Werbeleistung nicht erbracht wurde, die Stadt Wuppertal aber dennoch die durch die ASS gestellten Rechnungen klaglos beglichen hatte. Als Resultat der Bemühungen des Herrn Paschalis um die Sache wurde der Stadt Wuppertal immerhin Schadensersatz zugesprochen, allerdings nur ein Teilbetrag von 237.871 Euro. Wegen Verjährung konnten 431.742 Euro nicht vor Gericht geltend gemacht werden.

Herr Paschalis hat im Jahr 2018 Herrn Mucke sowie andere Personen aus der Stadtverwaltung und der Politik angezeigt, weil sie das ASS-Geschäft seiner Ansicht nach vertuschen wollten, um strafrechtliche und disziplinarrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Dann erstattete wiederum OB Mucke gegen Herrn Paschalis Anzeige wegen Verleumdung. Gestern sah man sich vor Gericht.

Als erstes fragt man sich als Beobachter, warum die Erstattung einer Strafanzeige eine Verleumdung sein soll. Dazu müsste der angezeigte Sachverhalt unwahr sein und der Urheber der Anzeige dies wissen und die Anzeige mit der Absicht, anderen Personen zu schaden, gestellt haben. Da aber das OLG Hamm der Stadt Schadensersatzansprüche zuerkannt hat, war das sogenannte ASS-“Geschäft“ sicherlich zum Schaden der Stadt Wuppertal. Wie steht es um die Vertuschung?

Bei der Befragung des Herrn Mucke wurde schnell deutlich, dass er sich mit den Details des ASS-Geschäfts nicht auskannte. Er wusste z.B. weder, wie die Einnahmen aus der illegalen Zulassungspraxis verbucht wurden, noch was mit dem angeblichen Gewinn von ca. 160 000 Euro jährlich weiter geschah. Gleichzeitig betonte er gebetsmühlenartig, er habe sich stets um Aufklärung bemüht und alle Dokumente hätten „über seinen Tisch laufen müssen“. Dennoch liegen ihm entscheidende Rechtsgutachten nicht vor und er kennt auch nicht deren Inhalt. Durch das Gericht wurde nun die Vorlage dieser Unterlagen angemahnt. Darunter der Abschlussbericht über disziplinarische Vorermittlungen gegen städtische Mitarbeiter wegen des ASS-Geschäfts sowie ein Gutachten der Kanzlei Luther, das der Rat der Stadt beauftragt hatte, nachdem das Landgericht Bochum das ASS-Geschäft als sittenwidrig eingestuft hatte.

Verstörend waren aber auch die Zwischenbemerkungen, die Herr Mucke immer dann einschob, wenn er auf gestellte Fragen nicht konkret antworten konnte: „Ich bin nicht der oberste Investigator.“ „Ab und zu muss man auch einmal herausgehen.“ „Ich will nur Schaden abwenden, als OB muss ich Schaden von der Stadt abwenden, als Aufsichtsratsvorsitzender der WMG muss ich Schaden von der WMG abwenden. Wenn es da zu Konflikten kommt, ist es auch einmal geboten, den Hut abzugeben.“ Mit letzteren Sätzen kommentierte er den Vorgang, dass er als Vorsitzender bei einer entscheidenden Sitzung des Aufsichtsrates der WMG den Raum verlassen hatte. Sein Rechtsamtsleiter, sein Rechtsdezernent und ein hinzugezogener externer Jurist hatten ihm vorab dringend geraten, erst die aus strafrechtlicher Sicht bestehenden Bedenken gegen die Rolle der WMG beim ASS-Geschäft zu klären und daher den Geschäftsführer für das vergangene Jahr nicht zu entlasten. Dazu wieder Mucke: „Im Kern ging es ja darum, wie kann man die Entlastung der WMG hinkriegen.“ Im Aufsichtsrat war man sich einig, dass ein „irreparabler Schaden für die Stadt Wuppertal [entstünde], wenn das ASS-Thema öffentlich gemacht wird.“ So heißt es im Protokoll der fraglichen Sitzung, aus dem während der Befragung zitiert wurde. Der Aufsichtsrat beschloss denn auch in Abwesenheit des Herrn Mucke erstens die Entlastung des Geschäftsführers und zweitens, die ASS-Thematik durch eigene Anwälte prüfen zu lassen. Herr Mucke gab an, sich im Detail an die Sitzung nicht zu erinnern.

Die Befragung geht daher in die Verlängerung. Der nächste Sitzungstag ist der 17. November 2020.