Größere DITIB-Zentralmoschee an der Gathe - cui bono?

15. Juli 2025, Dr. Christine Leithäuser



„Die Gathe ist - ich kann das hier ja einmal sagen, es schreibt ja niemand mit - total heruntergekommen. Da tummeln sich Drogenabhängige, Dealer, Prostituierte und Clans. Also müssen wir doch froh und glücklich sein, dass die DITIB hier ihr neues Gemeindezentrum bauen will. Wir brauchen die Kita und das Altenzentrum. Wir haben einfach keinen anderen Investor, der bereit wäre, dort zu bauen. Der Bedarf ist riesig."

So äußerte sich Mathias Nocke, Ordnungsdezernent und Stadtdirektor der Stadt Wuppertal sowie OB-Kandidat. Er ist ist für das umstrittene Moscheeprojekt an der Gathe.

Der Verband Wuppertaler Moscheen hatte zur Podiumsdiskussion in die Abu-Bakr-Moschee in der Wittensteinstraße 140 am 2. Juli 2025 eingeladen. Zwei Moderatorinnen versuchten hartnäckig, den Kandidaten Zugeständnisse abzuringen, wie sie die muslimische Bevölkerung denn in Zukunft besonders unterstützen wollten. Insgesamt erweckten sie und einige Zuschauer durch ihre Wortwahl den Eindruck, ihre Glaubensgemeinschaft leide unter Ausgrenzung und Benachteiligung und es sei Aufgabe der Politik, dies zu ändern.

Die OB-Kandidaten Hafke (FDP), Nocke (CDU), Oberhaus (die LINKE), Liste-Frinker (GRÜNE) und Scherff (SPD) antworteten vorhersehbar, ohne konkret zu werden. Die Diskussion schleppte sich dahin. Bis zur Zuschauerfrage nach dem Moscheeprojekt. Wann denn nun endlich Baubeginn wäre. Frau Liste-Frinker verwies darauf, dass ein Beirat die Bedingungen mit der Gemeinde noch aushandele. Dann wurde es turbulent. Mehrere Männer erhoben sich, als Marcel Hafke sich gegen den Bau aussprach und dies mit der Nähe der DITIB zu radikalen islamistischen Organisationen wie der Hamas begründete. Beziehungsweise zu begründen versuchte. Denn er wurde durch Zwischenrufe derart in seiner Rede behindert, dass er nicht mehr zu verstehen war. Die Moderatorinnen konnten das Auditorium kurzzeitig befrieden. Als dann der nächste Fragesteller einleitend äußerte, der Moscheeneubau sei keine Frage von Religion, sondern eine des Baurechtes, herrschte atemlose Stille im Saal. Der Antrag wäre nach Recht und Gesetz zu prüfen, was bislang bestenfalls schlampig geschehen sei. Denn eine Kindertagesstätte und ein Altenheim an einer fünfspurigen Straße zu errichten, wäre städtebaulicher Schwachsinn. Darauf folgte das oben zitierte Statement des Herrn Nocke. Weitere Fragen und Antworten ließen die Moderatorinnen nicht mehr zu. Die Veranstaltung endete abrupt.

Diese Diskussion war nicht die erste um das Projekt und wird die Wuppertaler Bürger über den Wahlkampf hinweg sicherlich noch beschäftigen. Denn das Thema polarisiert. Nachdem sich eine Mehrheit im Stadtrat für den Moscheebau ausgesprochen hatte, wurde durch das Autonome Zentrum Wuppertal, das für die Moschee abgerissen werden müsste, ein Bürgerbegehren angestrengt. Es scheiterte aus formalen Gründen. Die mehr als 11000 Unterschriften von Gegnern reichten nicht aus. Das Autonome Zentrum befindet sich auf einem städtischen Grundstück, dem Flurstück 90 (Gemarkung Elberfeld, Flur 93). Die DITIB Gemeinde muss dieses Grundstück erwerben, damit das baurechtliche Verfahren, das dem Bau zwingend vorgelagert ist, überhaupt weiter gehen kann. Das Autonome Zentrum hat für September 2025 bereits Demonstrationen und Widerstand angekündigt.

Um die Zusammenhänge zu verstehen, um sich eine Meinung zu bilden, wem die geplante Moschee denn nutzt, lohnt es sich, einen Blick auf die Entwicklung des Vorhabens und die genaueren Umstände zu werfen.


Vierzehn Jahre Planung und kein Baubeginn

Im Jahr 2011 wollte ein Investor an der Gathe eine gewerblich genutzte Stellplatzanlage errichten. Der größte Teil der brachliegenden Fläche befindet sich im Eigentum der Stadt Wuppertal, nämlich die Flurstücke 90 und 102. Die Stellplätze wären ohne Bebauungsplan genehmigungsfähig gewesen. Der damalige OB Peter Jung wollte allerdings eine höherwertige Nutzung für die gesamte Fläche zwischen der Friedrichstraße, Markommenstraße und der Gathe erzwingen und leitete deswegen ein Verfahren zur Erstellung eines Bebauungsplanes im Jahr 2011 ein, das im Jahr 2013 konkretisiert wurde, da die DITIB Moscheegemeinde Elberfeld Interesse an dem Areal bekundet hatte, um dort ein größeres Gemeindezentrum zu bauen. Peter Jung sagte der Gemeinde öffentlich seine volle Unterstützung zu und stellte in einer Pressemeldung vom 28. August 2012 die Überlassung städtischer Grundstücke zum Zweck des Moscheeneubaus in Aussicht. Der Protest des angrenzenden Autonomen Zentrums folgte auf dem Fuße und blockierte über Jahre das weitere Verfahren.

Die DITIB Elberfeld kaufte dann 2017 ein 3000 m2 großes Grundstück, auf dem sich eine ehemalige Tankstelle befindet, für angeblich ca. 1 Mio Euro und stellte einen baldigen Baubeginn in Aussicht. Zu dem Zeitpunkt war aber noch nicht einmal ein Bauantrag gestellt. Auch fehlten ihr nach wie vor die Schlüsselgrundstücke. Erst im Jahr 2021 legte die Gemeinde Entwurfsplanungen für den Neubau vor. Der Rat der Stadt fasste am 6. März 2023 - gegen das Votum der Bezirksvertretung Elberfeld - einen sogenannten Zielbeschluss, mit dem der Standort an der Gathe zwischen Markomannen Straße und Ludwigstraße für den „Bau einer Moschee für die türkisch islamische Gemeinde“ festgelegt wurde. Zudem sei ein städtebaulicher Vertrag mit der Gemeinde zu vereinbaren. Wenn die DITIB Elberfeld die Grundstücke von der Stadt erworben habe, könne das Bauleitverfahren fortgeführt werden. Garantien für das Autonome Zentrum sieht der Zielbeschluss übrigens nicht vor, die Verwaltung will sich lediglich darum bemühen, einen geeigneten Alternativstandort für dieses zu finden.

Entgegen dem im Zielbeschluss genannten Zeitplan stockt das Bauverfahren weiterhin. Der städtebauliche Vertrag ist noch nicht abgeschlossen. Ein alternativer Standort für das Autonome Zentrum ist nicht gefunden, das Grundstück an der Markomannenstraße (Flurstück 90) befindet sich, ebenso wie das Flurstück 102 noch im Besitz der Stadt Wuppertal.

Abgesehen von dem fehlenden Grundbesitz ist zudem die Finanzierung des Vorhabens vollkommen intransparent. Die DITIB Gemeinde Elberfeld selber ist nicht finanzkräftig genug, um die Bau- und Investitionskonsten alleine zu tragen. Sie hofft auf Spenden und zusätzliche Investoren für die Kita, das Altenzentrum und die weiteren Anlagen, die sich laut Entwurf um die Moschee gruppieren sollen. Gewinn macht man allerdings mit dem Betrieb von Altenheimen und Kindertagesstätten kaum, überhaupt ist der Betrieb solcher Einrichtungen derzeit wegen des Personalmangels ausgesprochen schwierig. Sie sind sicherlich Teil des Gesamtprojektes, um dem Vorwurf der Segregation zu begegnen. Rechnet die DITIB als Betreiber von Kita und Altenheim darüber hinaus mit staatlicher Förderung? Wer ist der Investor im Hintergrund? Ist es der türkische Staat, bzw. eine seiner Behörden?

Jede der etwa 900 DITIB Gemeinden in Deutschland ist Teil des DITIB Dachverbandes mit Sitz in Köln und wiederum mit dem türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten, meist in Deutschland als Diyanet bezeichnet, untrennbar verbunden. Der Präsident der Diyanet ist z.B. erster Ehrenvorsitzender sowie Vorsitzender des Beirates der DITIB und bestimmt über das Vorstandspersonal. Die Imame der lokalen Moscheen werden in der Türkei ausgebildet und sind türkische Beamte. Ihre Dienstvorgesetzten sind die Religionsattachés aus den türkischen Botschaften. Weder der Dachverband noch die Landesverbände oder die einzelnen DITIB Gemeinden sind daher Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes. Denn auf deutschem Boden kann kein ausländischer Staat hoheitliche Aufgaben übernehmen. Die Rechtsform der DITIB ist der eingetragene Verein. Gleichwohl tritt sie im öffentlichen Diskurs überaus selbstbewusst als Religionsgemeinschaft auf.


Lokale Kritik am Moscheebau

Gegen den Zielbeschluss haben sich mehrere Akteure ausgesprochen. Das betroffene Autonome Zentrum wies in einem offenen Brief explizit auf die Problematik der engen Verbindung der türkischen Religionsbehörde zur DITIB Elberfeld hin.

Auch der bekannte Islamexperte Ahmad Mansour bestätigte die generelle Kritik an der DITIB in einer Diskussionsveranstaltung in der Citykirche im Jahr 2023 sowie in der überregionalen Presse. Und mehr: er nennt den Wuppertaler Stadtrat naiv, da die DITIB gerade nicht für Integration sorge, sondern Parallelgesellschaften befördere. Ahmad Mansour kann nur unter Polizeischutz auftreten, um seine Ansichten zu äußern. Zur Citykirche begleiteten ihn mehrere LKA-Beamte, der Zugang wurde streng kontrolliert. Dass er Kritik an Islamisten übt, hat ihm Todesdrohungen eingetragen.

Der WELT-Journalist Deniz Yücel, der 2017 bis 2018 ohne Anklage in der Türkei inhaftiert worden war und erst durch eine öffentliche Kampagne und diplomatische Anstrengungen der Bundesregierung frei kam, äußert sich ebenfalls eindeutig: „Man arbeitet mit einem Verein zusammen, der ein verlängerter Arm Erdogans in Deutschland ist“.

Einen Austritt aus der DITIB lehnt die Wuppertaler Gemeinde an der Gathe - laut Yücel und Mansour eine Möglichkeit ihre vorgebliche Unabhängigkeit von Ankara zu belegen - allerdings ab.

Am 10. Februar 2025 schließlich hat die Fraktion der FDP im Rat den Antrag gestellt, das Bebauungsplanverfahren zu stoppen. Als Begründung nannte sie die mangelnde Abgrenzung der DITIB gegenüber extremistischen Strömungen und Antisemitismus nach dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023. Dem Zielbeschluss im Jahr 2023 hatte die FDP-Fraktion noch kritiklos zugestimmt. Der neue Antrag wurde durch Mehrheitsbeschluss der anderen Fraktionen allerdings nicht einmal zur Beratung zugelassen und vertagt.

Die Nerven beim Vorstand der Elberfelder Gemeinde, Ersin Özcan, liegen inzwischen blank. Er wirft Hafke vor, die Wuppertaler spalten zu wollen. Zu einer Diskussionsveranstaltung der FDP sei er nicht eingeladen gewesen. Wohl aber war diese öffentlich angekündigt - er hätte einfach teilnehmen können.


Politische Einordnung der DITIB

Die Wuppertaler Diskussion ist kein Einzelfall. Als die DITIB in den 80er Jahren gegründet wurde, war der deutsche Staat froh, einen Ansprechpartner auf der türkischen Seite zu haben, der Imame ausbildete, bezahlte und für die Gastarbeiterfamilien bereitstellte. Aber im Jahr 2025 ist sowohl die geopolitische Sitation eine andere, als auch die Verfasstheit des türkischen Staates.

Präsident Erdogan hat seine Machtfülle immer weiter ausgebaut, er lässt Oppositionelle willkürlich verhaften und verfolgen. Die Türkei ist keine Demokratie mehr, sie wird zunehmend als eine Diktatur wahrgenommen. Der Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023, die Tatsache, dass Erdogan die Hamas-Führer in Istanbul empfing und sie „Freiheitskämpfer“ nannte, die vielen Demonstrationen in Deutschland, in denen radikale Muslime und ihre Sympathisanten zur Vernichtung Israels aufrufen und Kalifate fordern, die islamistisch motivierten Attentate in Deutschland und Europa - all diese Vorkommnisse schüren Ängste vor Muslimen und ihren Institutionen.

Tatsächlich ist Antisemitismus unter Muslimen sehr verbreitet. Der algerisch-deutsche Islamwissenschafter Abdel-Hakim Ourghi verweist darauf, dass in der Lebensgeschichte des Propheten Mohamed die Juden als Feinde der Muslime dargestellt werden, als Ungläubige, die getötet werden müssen, als unwertes Leben, vergleichbar mit Affen und Schweinen. Für all diejenigen Muslime, die eine kritische, aufgeklärte Interpretation des Koran und der anderen religiösen Texte ablehnen, haben diese Worte uneingeschränkte Gültigkeit.

Ali Erbas, der 18. Präsident des türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten (Diyanet), die oberste islamische Autorität der Türkei, erklärte am 13. Oktober 2023 öffentlich, Israel sei der „rostige Dolch, der im Herzen der arabischen Welt steckt“. Diese Äußerung bezog sich direkt auf den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 mit 1182 Opfern. Israel, die Juden, sind für Erbas immer noch der Feind, der getötet werden muss. Schon deswegen müssten sich alle DITIB-Gemeinden in Deutschland Rückfragen gefallen lassen.

In Österreich gibt es die Dokumentationsstelle Politischer Islam. Sie wurde im Jahr 2020 gegründet, um religiös motivierten Extremismus zu erforschen und zu dokumentieren. Im Jahresbericht 2023 (S.8) heißt es: „Gerade anhand der Ereignisse im Nachhall auf den 7. Oktober 2023 ist bis heute zu sehen, wie sehr Antisemitismus als verbindendes Element von Extremismen unterschiedlichster Couleur wirksam werden und nicht nur die unmittelbar betroffene Region erfassen kann.“ Nicht wegsehen, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam ist das Ziel ihrer Arbeit.

In Deutschland gibt es eine solche Dokumentationsstelle (noch) nicht. Die letzte Bundesregierung hat einen entsprechenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Dezember 2023 abgelehnt. Dieser Antrag ist aber auch darüber hinaus sehr interessant, weil er auf die Unterbindung der DITIB-Strukturen zielte. Die Drucksache 20/9729 vom 12. Dezember 2023 trägt den Titel „Politischen Islamismus wirksam bekämpfen – Ausländische Einflussnahme auf deutsche Muslime zurückdrängen“. In der Begründung des Antrags heißt es: In Deutschland gibt es keine Staatskirche (Art. 140 GG). Schon deshalb muss der deutsche Staat „sicherstellen, dass ausländische Regierungen hierzulande nicht über religiöse Einflussmöglichkeit verfügen, die dem deutschen Staat selbst Kraft der Verfassung zurecht verwehrt ist.“ (S.2) Und weiter: „Dem Politischen Islamismus, der den Grundwerten unserer Verfassung widerspricht, darf keine Toleranz entgegengebracht werden.“

Einzelne Forderungen des Antrags waren:

  1. - keine Visa für Personen auszustellen, die direkt oder indirekt einem ausländischen Staat unterstehen und gleichzeitig in Deutschland für eine religiöse Vereinigung tätig werden sollen;
  2. - die Mitglieder von Vorständen, Beiräten und sonstigen Gremien religiöser Vereinigungen (dürfen) nicht direkt oder indirekt ausländischen Staaten oder Behörden unterstehen;
  3. - ausländischen Politikern und Regierungsvertretern (wird) jeglicher Wahlkampf oder sonstige politische Tätigkeit in den Einrichtungen religiöser Vereinigungen in Deutschland untersagt
  4. - direkte oder indirekte Finanzierung durch ausländische Staaten und Behörden zugunsten von religiösen Vereinigungen in Deutschland (wird) verboten.

Eine neue DITIB Zentralmoschee in Elberfeld zu bauen, birgt die Gefahr extremistischer und antisemitischer Umtriebe. Herr Nocke als CDU Politiker hätte auf der Diskussionsveranstaltung in der Abu-Bakr Moschee sagen müssen: Die Bedingungen für eine Moschee sind: kein Geld aus Ankara, kein Imam aus Ankara, keine Predigten aus Ankara, keine Wahlkämpfer aus Ankara.

Aber er ist ein politischer Opportunist. Ein paar Wählerstimmen und die unbestimmte Aussicht auf eine Kita und ein Altenheim sind ihm wichtiger als eine klare und konsequente Haltung gegenüber der DITIB. Berechtigte Kritik und Nachfragen will er nicht hören.


Rechtliche Vorgaben der Stadtentwicklung an der Gathe

Das Handeln der Stadtverwaltung und des Rates ist auch in baurechtlicher Hinsicht kritikwürdig.

Mit der sogenannten Bauleitplanung steuern Kommunen die Stadtentwicklung in ihrem Gemeindegebiet, soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (FNP) und der Bebauungsplan (BPlan). Sie sollen die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch gegenüber zukünftigen Generationen miteinander in Einklang bringen. Sie dienen dem Wohl der Allgemeinheit. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Mit ihrer Aufstellung wird die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in einer Kommune vorbereitet und geleitet. (Vgl. Baugesetzbuch, §1)

§13a des Baugesetzbuches ist auf das Projekt an der Gathe anzuwenden. Er regelt den Bebauungsplan der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren. Unter Absatz (2), Punkt 3. heißt es dort:
„Im beschleunigten Verfahren (…) soll einem Bedarf an Investitionen zur Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum oder zur Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben in der Abwägung in angemessener Weise Rechnung getragen werden“

Das heißt, der geplante Moscheebau für etwa 300 Vereinsmitglieder ist gegen die Bedürfnisse der Bevölkerung vor Ort abzuwägen. Braucht man an der Gathe Arbeitsplätze, Wohnraum oder Infrastruktur? Bislang wurden diese Aspekte noch nicht einmal diskutiert, geschweige denn geprüft. Natürlich wäre es irgendwie schön, noch eine Kita zu haben und ein Altenheim, aber muss es an dieser Stelle sein? Welche Infrastrukturvorhaben hätten auf dem Bauplatz an der Gathe Priorität und welche ließen sich auch an anderer Stelle verwirklichen?

In der mit 17 000 Einwohnern dicht besiedelten Nordstadt, die westlich der Gathe liegt, herrscht Parkplatzmangel. Immer wieder stecken Rettungswagen und Müllfahrzeuge in den zugeparkten Straßen fest. Derzeit erstellt die Stadt ein sogenanntes Parkraumkonzept. Allein mit netten Gesprächen an der Bordsteinkante, der Bürgerbeteiligung, wird sich dieses Problem nicht lösen lassen. Eine gut erreichbare Quartiersgarage wird dringend benötigt und zwar von der Mehrheit aller lokalen Bewohner. Parkflächen müssen gut zugänglich sein. Im Gründerzeitviertel der Nordstadt gibt es keine privaten Garagen. Die Brachflächen, auf denen die DITIB bauen will, wären natürlich für ein größeres Parkhaus geeignet. Begrünt, ggf. mit Dachgarten, wäre es zugleich Schallschutz und Staubfänger für die Wohnbebauung westlich der Gathe. Mit dem Autonomen Zentrum durchaus vereinbar. Baurechtlich genehmigungsfähig. Kindergarten und Altenheim hingegen sollten in einer ruhigeren, grüneren Umgebung realisiert werden und benötigen größere Freiflächen. Die Brachflächen neben dem Mirker Bahnhof an der Nordbahntrasse böten sich dafür an. Diese Alternativen sind diskussionswürdig. Aber seltsamerweise ist die Moschee-Idee wie betoniert in den Köpfen einiger Lokalpolitiker. Was haben sie davon?

Ein weiterer Aspekt ist zu berücksichtigen: Die finanzielle Notlage der Stadt zwingt die Verwaltung bereits jetzt zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes. Das bedeutet: Ausgabeneinsparung. Alle freiwilligen Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Denn die Pflichtaufgaben müssen erfüllt werden. Pflichtaufgaben sind z. B. „Mobilität“, freiwillige z.B. kulturelle oder soziale Förderung. Jedwede geldwerte Unterstützung der DITIB Gemeinde wäre genau zu prüfen.

Schauen wir noch einmal an den Anfang der Geschichte: Schon 2011 wollte ein Investor auf der heute umstrittenen Fläche Parkmöglichkeiten schaffen. Peter Jung war dagegen und versprach der DITIB-Gemeinde 2012 das Blaue vom Himmel herunter: „die Stadt ist bereit, ihrerseits Grundstücke in dem Areal für das Gemeindezentrum zur Verfügung zu stellen“.

Was heißt „zur Verfügung stellen“? Und was hat die Stadtverwaltung heute vor?

Die Stadt Wuppertal darf ihre Grundstücke weder verschenken noch unter Wert veräußern. Das wäre eine unzulässige Beihilfe. Diese lässt sich z.B. dadurch verhindern, dass der Käufer für das Grundstück in einem wettbewerblichen Verfahren ausgewählt oder ein Verkehrswertgutachten eingeholt wird. Dieselbe Verpflichtung ergibt sich auch aus den Grundsätzen des kommunalen Haushaltsrechts. Die Gemeindeordnungen der Länder sehen die Veräußerung von Vermögensgegenständen regelmäßig nur zu deren vollem Wert vor.

Der gefasste Zielbeschluss des Stadtrates aus dem Jahr 2023 kennt allerdings keinen Wettbewerb der Investoren. Dass die DITIB das Areal bekommen soll, ist dort gesetzt: „Der Rat legt den Standort an der Gathe zwischen Markomannen Straße und Ludwigstr. für den Bau einer Moschee für die türkisch islamische Gemeinde fest." (S.1)

Die endgültige räumliche Nutzung des Areals ist noch offen. Ein Beirat tagt hinter verschlossenen Türen und soll mit der DITIB Gemeinde Elberfeld die konkrete Nutzung aushandeln, ohne dass diese bereits Eigentümer des gesamten Areals ist. Einen Bebauungsplan gibt es noch nicht. Nur dieser ist rechtlich bindend. Die Beiratssitzungen sind es nicht. Auch ein städtebaulicher Vertrag bedeutet keinen Anspruch eines Investors auf das gesetzliche Planaufstellungsverfahren. Dieses bleibt nach §11 Abs. (1).1 BauGB im Verantwortungsbereich der Gemeinde.


Fazit

Die Behauptung des Herrn Nocke, die Gathe sei „total heruntergekommen“ ist plakativ und nur für das brachliegende Areal richtig. Er wollte - genauso wie die DITIB Elberfeld - den Eindruck erwecken, die Stadt profitiere über die Maßen von dem Moscheevorhaben, es sei geradezu alternativlos. Richtig ist, dass nördlich der Markommenstraße, direkt gegenüber des Autonomen Zentrums ein ganzer Block mit sozial-kultureller Infrastruktur bereits vorhanden ist. Das sind: "Die alte Feuerwache“ mit Café, Begegnungszentrum, Spielplatz und Biergarten; eine Realschule; die Sporthalle; ein neuer Wohnblock mit Sozialwohnungen und Gewerbeeinheiten. Weiter nach Norden: das Café Ada mit der INSEL e.V., Biergarten und kleiner Parkanlage; das Restaurant Marines und ein Schachclub. Auf der Ostseite der Gathe sieht man einzelne Leerstände und ja, auch Kioske und Schnellrestaurants. Aber ebenso restaurierte Gründerzeitfassaden.

Seit vierzehn Jahren versäumt es demgegenüber die Stadtverwaltung, die eigenen Grundstücke angemessen zu entwickeln oder zu verkaufen, womit sie einen großen Teil des beklagten „städtebaulichen Missstandes“ selbst verursacht hat. Wenn sie zudem Dreck und Kriminalität an der Gathe beklagt, dann ist das ebenfalls ein hausgemachtes Problem. Der Ordnungsdezernent Nocke sollte seinen Aufgabenbereich wahrnehmen, zusammen mit der Polizei und Justiz, wenn nötig. Es ist jedenfalls ausdrücklich nicht Aufgabe einer Moscheegemeinde, an einer öffentlichen Straße die sozialen Verhältnisse zu verändern.

Trotz jahrelanger Diskussion um eine Moschee an der Gathe ist nichts erledigt. Streit hat es dafür reichlich gegeben und wegen der windelweichen Haltung der SPD, der CDU und der Grünen im Rat der Stadt Wuppertal werden weitere Auseinandersetzungen folgen. Die DITIB Gemeinde hat bereits viel Geld ausgegeben und großartige Ankündigungen gemacht. Allerdings fehlen ihr nach wie vor die baurechtlichen Grundlagen für ihr Projekt. Ihr gehören die Grundstücke nicht, auf denen sie bauen will. Dennoch veröffentlicht sie ambitionierte Planungsunterlagen und erweckt den Eindruck, sie könnte die Stadtgesellschaft prägen.

Eine konstruktive Diskussion über Extremismus, Parallelgesellschaften und die Einflussnahme des türkischen Staates mit der DITIB Gemeinde findet nicht statt.

Der Historiker Polybios führte um 200 vor Christus den Begriff der Ochlokratie in die antike griechische Staatstheorie ein. In seinem Verfassungskreislauf stellt er die Ochlokratie als "Entartung" der demokratischen Staatsform dar. Die Orientierung am Gemeinwohl geht verloren, das Handeln der Bürger wird von Eigennutz und Habsucht bestimmt. Diese negative Volksherrschaft greift heute wieder um sich.

Wir sollten bei der Kommunalwahl im September diesen Trend beenden.