Zu Unrecht verfolgt

07. September 2022, Dr. Christine Leithäuser


Dienstag, 6. September 2022. Freispruch im Prozess gegen Panagiotis Paschalis vor dem Landgericht Wuppertal. Der vorsitzende Richter Quantius ist sehr deutlich: „Sie wurden zu Unrecht von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Sie wurden zu Unrecht angeklagt. Sie wurden zu Unrecht in der ersten Instanz schuldig gesprochen. Das ist bedauerlich, genauso wie die Tatsache, dass diese Vorgänge so lange gedauert haben.“ Und weiter: „Mit diesem Urteil hoffen wir, einen grundlegenden Baustein für Ihre Rehabilitierung beizusteuern.“

Dieser Prozeß brauchte nur zwei Verhandlungstage, um zum eindeutigen Urteil zu kommen. Der erste Tag war ungewöhnlich. Panagiotis Paschalis lehnte einen der bestellten Schöffen wegen der Möglichkeit der Befangenheit ab, der Richter folgte seinem Antrag und bestellte eine Ersatzschöffin. Auf den Hinweis der Verteidigers, Prof. Wilhelm, dass sich Mitarbeiter der Stadtverwaltung im Publikum befänden und damit der Verdacht bestehe, dass die geladenen Zeugen aus der Stadtverwaltung so vorab über den Prozessverlauf informiert und beeinflusst werden könnten, sollten sich diese beiden Zuhörer erklären. Was sie nicht wollten. Erst nach einer sitzungspolizeilichen Anordnung des Richters nannten sie ihre Namen. Warum Michael Hirlehei und Uwe Kittsteiner, Mitarbeiter der Antikorruptionsstelle der Stadt Wuppertal, an insgesamt 19 Verhandlungstagen in erster und zweiter Instanz im Publikum saßen und mitschrieben, wollten sie nicht sagen. Auch nicht, wer sie beauftragte dies zu tun.

Teamleiter ihrer Abteilung ist Michael Theodor. Dieser hätte qua Amt den ASS-Skandal aufklären müssen, tat aber nichts dergleichen. Stattdessen versicherte er dem OStA Wolf-Tilman Baumert, an der Strafanzeige des Herrn Paschalis aus dem Jahr 2018 gegen Verantwortliche bei der Stadt und der Wuppertaler Marketing Gesellschaft sei „nichts dran“. Worauf OStA Baumert einen Strafbefehl gegen Paschalis erließ. Paschalis lehnte diesen ab und es kam zum Prozess in erster Instanz. Theodor wurde als Zeuge geladen. Und verweigerte dann die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten.

Was nun „dran“ ist an der Strafanzeige, die Panagiotis Paschalis gestellt hatte und derentwegen er wegen übler Nachrede angeklagt wurde, damit beschäftigte sich das Schöffengericht eingehend. Anders als die erste Instanz. Ebenso wurde der gesamte Text des Zeitungsinterviews aus der Wuppertaler Rundschau in den Prozess eingeführt. Auch dies hatte die erste Instanz versäumt.

Am zweiten Sitzungstag ging es dann sehr schnell. Der vorsitzende Richter stellte für die Kammer fest, dass die obergerichtliche Rechtsprechung in diesem Fall anzuwenden sei, d.h. der Kontext der Äußerungen müsse betrachtet werden. Insgesamt ergäben sich dann keinerlei Anhaltspunkte für üble Nachrede, nicht einmal für den strafrechtlich schwächeren Vorwurf der Beleidigung. Zügig und sachlich führte der Richter durch die Verhandlung, nach 90 Minuten erfolgte dann der Freispruch.


Warum kam es überhaupt zur Anklage?

Am 12. Oktober 2018 stellte Panagiotis Paschalis Strafanzeige wegen des Verdachts auf Betrug. Die Darlegung des Sachverhalts sowie Unterlagen, die seine Sichtweise belegten, umfassen knapp 100 Seiten. Im Dezember 2018 leitete Paschalis eine Kopie der Unterlagen zur Kenntnis an den damaligen OB Mucke weiter. Zudem gab er das oben erwähnte Interview in der Wuppertaler Rundschau am 15. Dezember 2018. Etwa zur selben Zeit wurde die zunächst zuständige StA‘ Dr. Tumeltshammer abgelöst von OStA Wolf-Tilman Baumert. Dieser ermittelte allerdings gar nicht in der Sache, sondern stellte das Verfahren gegen die in der Anzeige genannten Personen ein und erließ gegen Paschalis einen Strafbefehl wegen übler Nachrede.

Laut Verteidiger Prof. Wilhelm sei die Situation damals schon rechtlich klar und einfach zu bewerten gewesen. Zum einen hätte es sich bei dem sogenannten „ASS-Geschäft“ um Betrug bzw. Untreue gehandelt, da nicht erbrachte Leistungen abgerechnet und bezahlt wurden. Die in Wuppertal für die Firma ASS neu zugelassenen Fahrzeuge sollten mit Werbeaufklebern versehen werden, was nur für weniger als 10% der betreffenden Wagen tatsächlich umgesetzt wurde. Aber sowohl ASS als auch die WMG rechneten für alle zugelassenen Fahrzeuge diese Leistung gegenüber der Stadt Wuppertal ab. Zum anderen sind sowohl die Strafanzeige, die Paschalis gestellt hatte, als auch das gegebene Interview nach der obergerichtlichen Rechtsprechung als Meinungsäußerung zu verstehen.

Der vorsitzende Richter Quantius vom Landgericht Wuppertal rügte in der zweiten Instanz, dass zur Begründung sowohl des Strafbefehls als auch des erstinstanzlichen Urteils einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Sätze Paschalis‘ benutzt wurden. Nach Würdigung des Gesamtzusammenhangs der Äußerung biete diese keinen Grund für eine Strafverfolgung. Damit schloss er sich der Bewertung des Anwalts Wilhelm an.

OStA Topp hatte am ersten Verhandlungstag noch eine Verschärfung des Urteils aus der ersten Instanz befürwortet. Nun erklärte er recht überraschend, die Staatsanwaltschaft ziehe ihre Berufung zurück. Er plädierte auf Freispruch.

So stellt sich die Frage, was OStA Baumert im Sinn hatte, als er das offensichtlich nicht gesetzeskonforme Scheinrechnungssystem ignorierte, ohne gesetzeskonforme Grundlage gegen Paschalis vorging und ihn zudem noch öffentlich diskreditierte. In einem von Lothar Leuschen verfassten WZ-Artikel ließ sich Baumert mit den Worten zitieren, die von Paschalis erhobenen Vorwürfe gegen WMG, Aufsichtsrat und Stadtspitze seien „Quatsch“. Er unterstellte ihm dort zudem fälschlicherweise, behauptet zu haben, es seien „Schmiergeldzahlungen“ geflossen. Dieser Artikel ist nach wie vor im Netz auffindbar, weder Leuschen noch Baumert haben sich bislang davon distanziert. Es wäre nicht zu viel verlangt, diesen zurückzunehmen und sich dafür auch öffentlich zu entschuldigen.


Fazit

Für Panagiotis Paschalis endete am 6. September 2022 ein Abschnitt eines Albtraumes, den er seit sieben Jahren durchlebt. Er hatte nichts anderes getan, als seiner Zuständigkeit als Rechtsdezernent und seiner demokratischen Auffassung als Bürger gemäß zu handeln und einen Verdacht gegenüber der zuständigen Behörde sowie der Öffentlichkeit begründet darzulegen. Dieses Handeln war mutig, geradlinig und vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung vollumfänglich gedeckt.

Der Rat der Stadt wählte ihn deswegen ab, zerstörte seine Karriere und seinen Ruf. Die Staasanwaltschaft Wuppertal verfolgte ihn über Jahre hinweg unrechtmäßig und nicht die Verantwortlichen für das Scheingeschäft mit der ASS. Der Chefredakteur der Westdeutschen Zeitung, Lothar Leuschen, bot dem Oberstaatsanwalt Baumert ein Forum für seine falsche Rechtsauffassung. OB Andreas Mucke und Stadtdirektor Dr. Johannes Slawig verweigerten die Aufklärung im Zuge des Prozesses gegen Paschalis. Heute sind fast alle Taten im Zusammenhang mit der ASS-Affäre verjährt. Keiner der Beteiligten aus der Wuppertal Marketing Gesellschaft und deren Aufsichtsrat wurde von der Staatsanwaltschaft Wuppertal angeklagt, alle Ermittlungen sind eingestellt.

Den Schaden leugnet niemand. Aber die Verantwortung.